Worüber wollen Kim und Trump sprechen?
10. April 2018Nach der von Südkorea übermittelten Bereitschaft Kim Jong Uns zu einem Treffen mit Donald Trump folgte am Wochenende eine weitere Stufe der nordkoreanisch-amerikanischen Annäherung: Diesmal wurde nach Aussagen von ungenannten US-Regierungsbeamten von nordkoreanischer Seite direkt an die USA die Bereitschaft übermittelt, "über die De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu sprechen." In einer anderen Agenturmeldung hieß es, Kim Jong Un sei bereit, "über sein Atomwaffenprogramm zu sprechen."
Das klingt so, als ob es bei "De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel" nur um Nordkoreas Atomwaffen ginge. Tatsächlich ist Südkorea bereits seit 1991 atomwaffenfrei, als die dort stationierten US-Atomwaffen abgezogen wurden. Aber im Konzept von der "De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel" steckt mehr. Es spielte bereits bei den Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea 1992 eine wichtige Rolle. Damals schlossen beide Staaten zwei Abkommen über Aussöhnung und Atomwaffenfreiheit. Hatte der Norden damals zunächst versucht, in das Abkommen über die De-Nuklearisierung auch Forderungen nach dem Abzug von US-Truppen aus Südkorea einzubauen, und auch die Forderung, dass "die USA und andere Kernwaffenstaaten in der Umgebung der koreanischen Halbinsel keine nukleare Bedrohung unseres Landes darstellen", so fehlten diese Passagen im schließlich verkündeten Abkommen, ebenso wie überhaupt Hinweise auf US-Militärpräsenz in der Region.
"Vorstellungen der USA und Nordkoreas weit auseinander"
Dass der Norden damals weitgehend die Sprachregelung des Südens übernahm, hängt auch mit der damaligen Schwäche Nordkoreas zusammen, dessen Atomprogramm noch in den Kinderschuhen steckte. Das sieht heute ganz anders aus, da Nordkoreas Status als Atommacht faktisch besteht und kaum rückgängig zu machen ist. Und dies trotz der "wasserdichten" Vereinbarung von 1992, als sich beide Seiten verpflichteten, niemals irgendetwas mit Atomwaffen, ihrer Produktion und Erprobung noch mit Wiederaufbereitung oder Anreicherung zu tun zu haben.
Insofern nicht verwunderlich, dass jetzige Bereitschaft von Kim Jong Un, erneut über "De-Nuklearisierung" zu sprechen, bei der US-Seite auf Skepsis trifft. So schreibt beispielsweise der Asien-Experte von der Brookings Institution und frühere Mitarbeiter im US-Außenministerium Evans J.R. Revere: "In den vergangenen Jahren haben nordkoreanische Regierungsvertreter ihren Gesprächspartnern auf US-Seite und in inoffiziellen Foren genau erklärt, was mit diesem Begriff gemeint ist. Nämlich die Beseitigung der 'Bedrohung' des Nordens durch das Bündnis Südkorea-USA und durch den amerikanischen Atomschirm zum Schutz Südkoreas und Japans. Sie haben uns zu verstehen gegeben, dass Nordkorea, falls die USA Schritte zur Beseitigung der genannten Bedrohungen ergreifen, eine De-Nuklearisierung innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren 'in Erwägung ziehen' könnte." Die nordkoreanische Interpretation von De-Nuklearisierung sei mithin von der amerikanischen völlig verschieden.
Guter Ansatz oder unrealistische Vorstellungen?
Demgegenüber zitiert das "Wall Street Journal" den früheren amerikanischen Unterhändler Joseph DeTrani, US-Unterhändler bei den Sechs-Parteien-Gesprächen von 2003 bis 2006, es sei eine "gute Entwicklung, dass Kim Jong Un über die Frage der De-Nuklearisierung diskutieren will, da er das in der Vergangenheit für unmöglich erklärt hat." Aber auch er sagt, jetzt müsse man "diskutieren, ob Kims Auffassung von De-Nuklearisierung mit der unsrigen kompatibel ist, nämlich vollständiger, verifizierbarer, irreversibler Rückbau aller nordkoreanischen Atomwaffen und Waffenprogramme."
Dieser Ansatz sei jedoch unrealistisch, wie Toby Dalton und Ariel Levite in der Zeitschrift "Foreign Affairs" schreiben. Zum einen sei die endlich erreichte atomare Abschreckung für Kim eine existentielle Frage, eine "völlige De-Nuklearisierung" stehe deshalb nicht auf der Tagesordnung. Zum anderen sei der vollständige, verifizierbare, irreversible Rückbau (kurz: CVID (complete, verifiable, and irreversible denuclearization)) ein Ansatz, der inzwischen überholt sei. Er sei Anfang der 2000er Jahre entwickelt worden, als Nordkorea gerade erst einen Atomtest durchgeführt hatte und als sein Langstreckenraketenprogramm noch in den Kinderschuhen steckte.
Angesichts der technischen Fortschritte bei Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm sei jetzt ein neuer Ansatz nötig. Dieser bestehe in "signifikanten und nachprüfbaren, qualitativen und quantitativen Begrenzung der weiteren Entwicklung der Atomwaffen und Trägersysteme Nordkoreas." Dadurch werde zwar Nordkoreas Status als Atommacht implizit anerkannt, aber dies sei der einzig realistische, wenn auch sehr ehrgeizige Weg, um die Lage zu stabilisieren. Und nicht zuletzt Japan und Südkorea hätten durch solch einen Ansatz die Vergewisserung, dass ihr Verbündeter USA besonnen und beharrlich vorgeht.
Der "atomare Schutzschirm" der USA: Unsicher und trotzdem nützlich
Das könnte für diese Länder wichtiger sein als das reine Sich-Verlassen auf den sogenannten atomaren Schutzschirm der USA, der Nordkorea anscheinend so sehr stört. Denn wie Terence Roehrig vom Naval War College ausführt, war und ist diese US-Strategie in Asien schon immer von einigen problematischen und beunruhigenden Fragen belastet. Eine sei die der Glaubwürdigkeit. Wären die USA tatsächlich bereit, einem Verbündeten im Ernstfall mit Atomwaffeneinsatz beizustehen, trotz der damit verbundenen verheerenden Wirkungen? Und was wäre, wenn der Angreifer die USA oder US-Einrichtungen seinerseits atomar angreifen könnte? Und schließlich: Würden die USA mit Atomwaffen auf einen Angriff gegen einen Verbündeten reagieren, wenn dieser Angriff konventioneller, biologischer oder chemischer Natur wäre?
Aber selbst, wenn die Glaubwürdigkeit des amerikanischen atomaren Schutzschirms eingeschränkt ist, so bleibt er doch laut Roehrig "ein wichtiger Bestandteil der regionalen Sicherheitsarchitektur, aber eben nur als ein Teil dieser Architektur. Und er bleibt ein wichtiges politisches Statement, das dem Sicherheitsgefühl Südkoreas dient, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass die USA diese Waffen jemals einsetzen werden."