Kleinteiliger Handel
20. Juli 2011"The parrot is not dead." Viele Beobachter der Welthandelsorganisation WTO in Genf denken unwillkürlich an einen Sketch der britischen Komikertruppe Monty Python, wenn sie auf die Erfolgsaussichten der allgemeinen Doha-Freihandelsrunde angesprochen werden. In dem Monty Python-Klassiker weigert sich ein Kleintierhändler beharrlich, einen Papagei für tot zu erklären, obwohl der bewegungslos auf dem Käfigboden liegt. Ähnlich stur behaupten Politiker, die Doha-Runde sei nicht tot, obwohl die vor knapp zehn Jahren in der Hauptstadt Katars begonnene Verhandlungsrunde seit drei Jahren festgefahren ist.
Lohnen würde sich ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde allemal. So gibt es Schätzungen, die besagen, dass ein erfolgreiches multilaterales Abkommen dem Welthandel Impulse in der Größenordnung von 300 bis 800 Milliarden US-Dollar bescheren würde. Und weil das so ist, warten die 153 Mitgliedsländer den ungewissen Ausgang der Doha-Runde erst gar nicht ab und schließen zwischenstaatliche oder regionale Handelsabkommen ab, so genannte "Preferential Trade Agreements" (PTA). Der in Genf veröffentlichte "World Trade Report 2011" spricht mittlerweile von 300 solcher Abkommen.
WTO fürchtet Wildwuchs
"Jedes unserer 153 Mitgliedsländer ist statistisch gesehen an 13 solcher Abkommen beteiligt", sagt WTO-Chefvolkswirt Patrick Low, obwohl diese PTAs nur etwa 16 Prozent des gesamten Welthandels ausmachen. Doch Low und sein Chef, WTO-Generalsekretär Pascal Lamy, sehen diese Entwicklung, die seit 2007 verstärkt zu beobachten ist, mit gemischten Gefühlen. Einerseits befürchten sie ein wildes Durcheinander, einen Wildwuchs an Bestimmungen, der Größenvorteile zunichte macht. Außerdem argwöhnt Lamy, dass diese Vorzugsabkommen hauptsächlich für protektionistische Tendenzen, etwa die Beschränkung von Dienstleistungen und Investitionen, den Schutz geistigen Eigentums und in der Wettbewerbspolitik genutzt werden können. Halten sich beide Seiten an diese Sondervereinbarungen, kann die WTO kaum einschreiten.
Andererseits kann und will die Welt nicht warten, bis sich die beiden größten Streithähne der Doha-Runde, China und die USA, in Sachen eine Marktöffnung für landwirtschaftliche Produkte, Industrieprodukte und Dienstleistungen aufeinander zu bewegen. Und auch Pascal Lamy muss zugeben, dass die Welt sich weiter dreht und die Weltwirtschaft immer stärker auf global agierenden Produktionsverbünden beruht, die auf reibungslos funktionierende Nachschub-Ketten angewiesen sind. Die WTO sucht hier noch ihre Rolle - sie will erreichen, dass sich die neuen Freihandelsabkommen für andere Staaten öffnen. Und sie will den regionalen Abkommen einen globalen Rechtsrahmen geben - wohl nicht zuletzt, um der in die Jahre gekommenen Organisation mit Sitz am Genfer See eine neue Existenzberechtigung zu verschaffen.
Welthandel wächst um 6,5 Prozent
Der Welthandel wird nach Schätzungen der WTO in diesem Jahr - auch bedingt durch die Ereignisse in Japan - nur um etwa 6,5 Prozent wachsen. Das ist deutlich weniger als die 14,5 Prozent im vergangenen Jahr, als der Welthandel nach der Wirtschafts- und Finanzkrise einen rekordverdächtigen Sprung machte. Dies sei allerdings kein langfristiger Trend gewesen, schreibt die WTO in ihrem Welthandelsbericht. Die erwarteten 6,5 Prozent wären bereits höher als das durchschnittliche jährliche Wachstum von sechs Prozent der Jahre 1990 bis 2008.
Im vergangenen Jahr stieg der Export in den Industrieländern um fast 13 Prozent. Weltweit wurde ein Zuwachs von 16,5 Prozent erreicht. China steigerte seine Exporte 2010 um satte 28 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2009. Die WTO berechnet dabei den Umfang des realen Welthandels, wobei Verzerrungen durch Preise und Wechselkurse bereits herausgerechnet wurden.
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Klaus Ulrich