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"Xi hat die Armee fest im Griff"

Juan Ju3. September 2015

Chinas Militärparade wirft eine Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen gesellschaftlichen Problemen auf. China-Expertin Shi-Kupfer erklärt den Hintergrund der Waffenschau.

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China Vorbereitungen für die Parade. (Foto: China Foto Press)
Bild: picture-alliance/dpa/ChinaFotoPress

DW: Frau Shi-Kupfer, Sie vertreten die Ansicht, dass Chinas Staatspräsident Xi Jinping mit der Militärparade zeigen wollen, dass er die Armee fest im Griff hat. Hat er die Armee wirklich im Griff?

Kristin Shi-Kupfer: Es gibt aktuell keine Anzeichen dafür, dass die Parteiführung das Militär nicht im Griff hat. Im Zuge seiner Anti-Korruptionskampagne hat Xi Jinping im vergangenen Jahr mehr als ein Dutzend hochrangige Militärs von ihrem Posten entfernen lassen. Nun will er die 2013 angekündigten neuen Kommandostrukturen innerhalb der Volksbefreiungsarmee endlich durchsetzen. Ähnlich dem US-Militär soll es nun national übergreifende Kommandos für die einzelnen Untergattungen geben. Xi betrachtet diese als zentral für eine moderne Armee.

Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. (Foto: Merics)
Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) in BerlinBild: MERICS/Marco Urban

Hat die Antikorruptionskampagne in der Armee Xis Beziehung zum Militär gestärkt oder eher geschwächt?

Durch die Anti-Korruptionskampagne hat sich Xi sicherlich auch zahlreiche Gegner und Kritiker innerhalb der Armee geschaffen. Insgesamt scheint er aber seinen Zugriff - vor allem auch durch Platzierung von ihm vertrauten Menschen - auf das Militär eher gestärkt zu haben.

Zahlreiche zynischen Kommentare über die Militärparade werden im chinesischen Internet zensiert. Warum wird jetzt das Internet stark zensiert?

Vor nationalen Großereignissen möchte die chinesische Regierung jegliche Quelle für Störungen ausschalten, die die eigene auf Stabilität und Machtprojektion angelegte Propaganda unterminieren könnte.

Die umfangreichen Verhaftungen und Zensurmaßnahmen gegen Nutzer von Sozialen Medien zeigen aber auch, dass die Parade für Peking zu einem äußert kritischen Zeitpunkt stattfindet. Die Börse hat sich noch nicht stabilisiert, weitere ökonomische Kennziffern senden beunruhigende Signale. Und auch die Katastrophe von Tianjin ist noch längst nicht aufgeklärt beziehungsweise aufgearbeitet.

Taiwan hat offiziell keinen Vertreter zur Militärparade entsendet. Der ehemalige Vorsitzende der Kuomintang (KMT) Lien Chan ist als Privatperson nach Peking gereist, trotz aller Kritik aus Taiwan. Warum?

Lien Chan hat sich während seiner Zeit als Vize-Präsident Taiwans (1996-2000) sehr stark für Kooperation und Annäherung zwischen der Insel und dem Festland China eingesetzt. Insofern überrascht seine Teilnahme nicht. Lien reist als Privatperson - ähnlich wie der ehemalige Bundeskanzler Deutschlands Gerhard Schröder.

In der jüngsten Ausgabe der Pekinger Zeitschrift "Public Diplomacy Quarterly" zieht die Redaktion eine Bilanz nach Auswertung von 52.208 Berichten, die in den Auslandsmedien 2014 über Chinas Armee erschienen. Die Hälfte aller Berichte seien "Negativmeldungen" gewesen. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die große Parade auf das Image der chinesischen Armee im Ausland auswirken?

Die Parade wird im Ausland in erster Linie das Image von Xi Jiping als ambitionierten bis sehr aggressiven Kopf des Landes prägen. Wenn keine überraschenden neuen Waffensysteme gezeigt werden und die Parade durch keinerlei Zwischenfälle überlagert wird, wird sie auch relativ schnell in Vergessenheit geraten. Bereits Ende September steht der Besuch von Xi Jinping in den USA statt, der dürfte neue Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Dr. Kristin Shi-Kupfer ist Leiterin des Bereichs "Politik, Gesellschaft, Medien" am Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin.

Das Interview führte Ju Juan.