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Politik

Varoufakis: "Bin stolz auf Dämonisierung"

Maximiliane Koschyk
25. Januar 2019

In der Finanzkrise zog er den Zorn europäischer Sparpolitiker und heimischer Eliten auf sich. Jetzt will Yanis Varoufakis selbst nach Brüssel. Im Interview mit der Deutschen Welle spricht er über seine Vision für die EU.

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Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Als Finanzminister Griechenlands verhandelte Yanis Varoufakis während der Finankrise 2015 - ohne Erfolg. Nach seinem Rücktritt gründete der Ökonom die paneuropäische Politbewegung "Demokratie in Europa 2025". Mit der linken Sammelbewegung will der Politiker als landesübergreifender Kandidat in der Europawahl im Mai 2019 antreten.

Deutsche Welle: Herr Varoufakis, als griechischer Politiker und ehemaliges Mitglied der Regierung in Athen machen Sie jetzt für die Europawahlen in Deutschland Wahlkampf. Wie funktioniert das?

Yanis Varoufakis: Indem wir bei der Europawahl in Deutschland antreten und gleichzeitig in Griechenland für die nationalen Wahlen Wahlkampf machen, wollen wir zeigen, dass es keine Differenzen zwischen Griechen und Deutschen gibt. Viel mehr gibt es Reibungen zwischen progressiver Politik in Europa und autoritären Kräften.

Während des Höhepunkts der griechischen Finanzkrise wurden Sie in deutschen Medien oft kritisiert. Wie glauben Sie, werden sie nun von deutschen Wählern empfangen?

Ich bin von griechischen Oligarchen viel mehr verteufelt worden als von deutschen Medien. Denn der eigentliche Konflikt besteht zwischen oligarchischen Regimen, die sowohl in Griechenland als auch in Deutschland, Frankreich und Italien Politik betreiben, und den Progressiven, die unsere Völker vereinen wollen. Die Dämonisierung durch griechische Eliten und die deutsche Presse verstehe ich als eine Auszeichnung und bin stolz drauf. Die Menschen in Deutschland und Griechenland haben nichts gegeneinander, und mit unserer Initiative „Demokratie in Europa" wollen wir das zeigen.

Sie haben oft gesagt, dass die EU ihren Willen durchsetzt und zu hart gegenüber Griechenland ist. Kann und sollte der EU-Beauftragte für den Brexit, Michel Barnier, auch so hart bleiben?

Das Drama ist, dass Brüssel und London verhandeln, aber weder die britische Regierung noch die EU-Bürokratie hat dabei die Interessen der britischen oder europäischen Bevölkerung im Blick. Das sollten wir als Europäer alle bedauern. Im Moment ist Premierministerin Theresa May viel mehr daran interessiert, ihre eigene Position und die Einheit der [konservativen] Tories zu sichern. Gleichzeitig wäre es für Herrn Barnier, Herrn Juncker und Frau Merkel der schlimmste Albtraum, wenn eine für alle Beteiligten vorteilhafte Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich getroffen würde. Denn das würde dem Rest der EU-Mitgliedsländer signalisieren, dass man sich gegen das Establishment in Europa richten kann und trotzdem einen guten Deal bekommt. Wir müssen aus dieser Zwickmühle heraus. Unsere Vertreter sollten nach dem Willen der Bevölkerung verhandeln, und nicht nur ihren eigenen engstirnigen Interessen folgen.

Auf der einen Seite haben wir einen wachsenden Nationalismus, und auf der anderen Seite transnationale Initiativen wie Ihre "Demokratie für Europa". Was sagt das über den gegenwärtigen Zustand der EU aus?

Es ist sehr besorgniserregend, denn derzeit triumphieren nur die Fremdenfeindlichen. Wir müssen das stoppen. Der einzige Grund, warum diese politischen Monster auftreten, ist die Sparpolitik, die die EU seit der Finanzkrise allen aufgedrückt hat. Der Konflikt besteht nicht zwischen Herrn Macron und Herrn Salvini, zwischen dem Establishment und den internationalen Nationalisten, wie ich sie nenne. Er verläuft zwischen transnationalen progressiven Kräften wie "Demokratie in Europa", und einer vorgetäuschten Opposition gegenüber dem Establishment, das alles wie immer handhabt und damit diese Salvinis entstehen lässt. Die Salvinis wiederum brauchen diese etablierten Kräfte für ihr eigenes Erstarken.

Das Interview führte Maximiliane Koschyk.