Suga ist Japans neuer Regierungschef
16. September 2020Bei der Abstimmung erhielt Yoshihide Suga 314 von 462 abgegebenen Stimmen. Dies teilte der Sprecher des Unterhauses in Tokio, Tadamori Oshima, mit. Der bisherige Kabinettschef Suga tritt die Nachfolge des langjährigen Regierungschefs Shinzo Abe an, der nach einer Rekordamtszeit von fast acht Jahren Ende August aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklärt hatte. Der 71-Jährige ist ein langjähriger Weggefährte Abes und will dessen politischen Kurs fortsetzen.
Kein Kurswechsel zu erwarten
Nach der Verkündung des Ergebnisses verbeugte Suga sich tief, äußerte sich zunächst jedoch nicht. Inzwischen stellte er sein Kabinett vor. Wie erwartet übernahm er etliche Minister aus dem Vorgängerkabinett. So behielten Außenminister Toshimitsu Motegi und Finanzminister Taro Aso ihre Ämter. Auch Justizministerin Yoko Kamikawa und Olympia-Ministerin Seiko Hashimoto bleiben im Amt. Sie sind die beiden einzigen Frauen in Sugas Ministerrunde. Neu im Kabinett ist dagegen der frühere Vize-Außenminister Nobuo Kishi, der zum Verteidigungsminister berufen wurde.
Als neuer Ministerpräsident muss Suga entscheiden, was mit den wegen der Corona-Pandemie auf das nächste Jahr verschobenen Olympischen Spielen in Tokio geschehen soll. Die Wirtschaft des Landes, die der bisherige Premier Abe mit seiner "Abenomics" genannten Politik aus lockerer Geldpolitik, schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen und dem Versprechen von Reformen aus der Stagnation holen wollte, ist im Zuge der Coronakrise in eine tiefe Rezession gerutscht.
Die versprochenen großen Strukturreformen blieben unter Abe nach Meinung von Beobachtern zwar aus. Zugleich aber gab es mehrere kleinere Reformen, für deren Ausarbeitung und schwierigen Umsetzung Suga zuständig war: Vom Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union über eine Reform des Sozialversicherungssystems, der Wiederbeschäftigung von älteren Bürgern bis hin zu einer Agrarreform. "Suga war der Garant für die Umsetzung dieser Reformen", erklärte Martin Schulz, Chefökonom beim Technologiekonzern Fujitsu der Deutschen Presse-Agentur in Tokio.
Außenpolitische Problemfelder
Auch außenpolitisch sieht sich Suga, der bisher kaum ins Ausland gereist ist, vor einer Reihe großer Herausforderungen. Dazu zählt das Machtstreben Chinas in der Region, die Bedrohung durch Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm und die schwer belasteten Beziehungen zu Südkorea.
Suga ist der breiten Öffentlichkeit erst seit April 2019 bekannt, als er den Namen der neuen Kaiserära "Reiwa" verkündete und damit den Spitznamen "Onkel Reiwa" bekam. Dass er an die Spitze der Macht gelangte, verdankt er einflussreichen parteiinternen Machtgruppen. Diese hatten ihn zu Wochenbeginn bereits zum Vorsitzenden der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) als Nachfolger von Abe gewählt. Angesichts einer zweiten Corona-Infektionswelle wollte man offenbar schnell wieder für Kontinuität und Stabilität sorgen. Dafür erschien Suga der richtige Mann. Zudem genießt er auch in der Öffentlichkeit große Unterstützung.
kle/wa (afp, rtr, dpa)