Arab Booker Prize
22. September 2009"Wissenschaftlich und literarisch zu schreiben – das sind zwei sehr ähnliche Prozesse. Beim Verfassen von Romanen benötigt man ein enormes Wissen. Wenn das nötige Grundwissen allerdings nicht vorhanden ist, dann sollte man gar nicht erst anfangen einen Roman zu schreiben - egal wie talentiert der Autor ist", sagt Youssef Ziedan. Und wenn seine Meinung stimmt, dann ist er der geborene Romanschreiber. Denn Grundwissen hat der Ägypter reichlich. Der 51-järige hat sich Jahre lang mit der arabisch-islamischen Geschichte beschäftigt. Er ist Universitätsprofessor und leitet die Manuskriptensammlung der berühmten Bibliothek Alexandrina im ägyptischen Alexandria. Er hat sich die Katalogisierung arabischer und assyrischer Manuskripte zur Lebensaufgabe gemacht. Und das ist es, was ihn zum Schreiben inspiriert hat.
Mit seinem Bestseller "Azazil", auf Deutsch "Beelzebub"– gewann er den "Arab Booker Prize 2009". Der Roman erzählt die Geschichte der Koptischen Kirche in Alexandria im fünften Jahrhundert. Der Protagonist ist ein Mönch der im Dauer-Konflikt mit seiner inneren Stimme steht– dem Teufel, dem Beelzebub. Der Autor wollte ein neues Bild des Teufels erschaffen: "In meinem Roman ist der Teufel ein Teil des Menschen. Er ist der Teil, den wir für all das verantwortlich machen, was wir tun und was von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Wir können ihn nicht von uns trennen."
Freiheit durch Wahl
Der Beelzebub in Ziedans Roman ist aber nicht nur der Sündenbock im Menschen. Er sei auch der Teil des Protagonisten, der sich ständig mit ihm streite und ihn zum Schreiben anrege. Er zeige dem Mönch seine verschiedenen Optionen, sagt Ziedan. "Er zwingt ihn zu wählen und er zwingt ihn dadurch frei zu sein."
Der Mönch ist am Ende der Erzählung tatsächlich frei. Er rebelliert gegen seinen ungerechten und brutalen Papst, gibt sich der Lust hin und vergisst dabei seinen Gott. Doch genau dieses Szenario sorgt in Ägypten für Aufregung. Vor allem Mitglieder der Koptischen Kirche werfen Youssef Ziedan vor, dem Bild der Kirche von Alexandria geschadet zu haben. Er habe sie als boshaft, intolerant und ungerecht dargestellt.
Fiktion vs. Realität
Mittlerweile gäbe es sogar fünf Bücher, die sich als Antwort auf Azazil verstünden, erzählt Ziedan. Manche seien auf die gleiche Weise geschrieben und greifen sie islamische Geschichte an, andere greifen ihn persönlich an. "Und wiederum ein weiterer Teil hat gar nicht verstanden, dass es sich fiktive Ereignisse handelt und haben versucht, sie zu widerlegen."
In Azazil trennt reale Geschichte und Fiktion nämlich nur ein hauchdünner Faden. Seine Kritiker werfen Youssef Ziedan vor, er habe seine Funktion als Historiker missbraucht und versucht, die Geschichte vorzutäuschen. Ziedan kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen: "Ich wollte die Substanz der Religion hervorheben: die Liebe! Ich wollte auch jene Interpretation des theologischen Textes aufdecken, die zu Hass und zu Gewalt aufrufen. Gewalt stammt nicht von der Religion selbst. Egal von welcher. Zu Gewalt wird von Personen oder Gruppen aufgerufen, die die religiösen Texte für ihre eigenen Interessen nutzen. So entsteht Gewalt."
In seinem nächsten Roman, der unter dem Namen "Arabische Theologie" erscheinen wird, geht es um Interreligiosität. Youssef Ziedan versucht darin, einen neuen Blick auf die Beziehung zwischen dem Islam und dem Christentum zu werfen. Ob er auch diesmal Aufregung erwartet? "Ich erwarte nichts, ich schreibe nur", sagt Ziedan.
Autor: Khalid El Kaoutit
Redaktion: Diana Hodali