Der Geiger Widjaja und Social Media
13. Oktober 2016Vorbei sind die Zeiten, als eine CD-Aufnahme, Konzertauftritte und ein paar Zeitungskritiken über die Karriere eines Musikers entschieden. "Heute geht es darum, dass du überall verfügbar bist", fasst Iskandar Widjaja sein Credo zusammen. Der 30-jährige Geiger hat dabei vor allem die sozialen Medien und die digitalen Musikplattformen fest im Blick. Er ist präsent in dieser Welt: bei YouTube, Spotify, Facebook, Twitter, Instagram und jetzt auch auf SoundCloud. Virtuos spielt er auf der digitalen Klaviatur.
Digitale Dimension
Posts auf Facebook gehören zum Alltag genauso wie das Hochladen eines Videos auf YouTube. Und bei jedem Konzertprojekt denkt er gleich mit an die digitale Dimension. Für Widjaja ist das kein notwendiges Übel, kein kunstfernes Reglement, dem er sich zähneknirschend unterwirft. Im Gegenteil: Der Geiger sieht darin vor allem ein großes Potential, das er konsequent für den Aufbau seiner Karriere nutzt. Auch wenn er nicht gleich von "Digitalstrategie" sprechen will, ist es genau das, was er minutiös entwickelt hat. Im Mittelpunkt dieser Strategie steht er selbst, seine Künstlerpersönlichkeit: "Man kreiert seine Marke. Ich weiß genau, was ich bin und was ich darstellen möchte." Widjaja sieht sich als "alternativen Klassikkünstler", der heute in der Berliner Philharmonie Bach spielt und morgen in einer Multimediashow die Musik von Star Wars aufführt. Gemeinsam mit drei Administratoren füttert er täglich seine Facebook Community mit Fotos und Infoschnipseln. Insbesondere auf Star Wars habe es "unglaubliche Reaktionen" unter seinen 9500 Facebook-Freunden gegeben. Keine Frage, das sind genau die Posts, auf die seine junge Zielgruppe anspricht. Doch es geht nicht nur um die richtigen Inhalte, sondern auch um die richtige Haltung: "Man sollte authentisch sein und nicht eine allzu geschönte Welt wiedergeben". Manchmal postet Widjaja Fotos von einem Shooting, meistens sind es Schnappschüsse aus dem Alltag. Bilder auf Instagram hochzuladen hat er erst kürzlich begonnen und ist begeistert von "der ganz schnellen Form", Informationen und Eindrücke zu vermitteln.
YouTube als Marketingplattform
Doch die mit Abstand wichtigste digitale Plattform ist für ihn immer noch YouTube. "Hier habe ich das ganze Paket: Ich sehe den Künstler, seine Aura, die ganze Art und kann mir ein Bild von ihm machen". Wenn er mit einer Aufführung oder einem Interview zufrieden ist, lädt Widjaja das Video hoch. YouTube ist auch bei der Konzertakquise ein Türöffner: "Wenn ich mit Konzertveranstaltern in Kontakt bin, dann ist das erste, was mein Management macht, zwei, drei YouTube-Links zu verschicken."
Im Moment weiß er gar nicht, wie viel von ihm auf YouTube ist. "Auf jeden Fall ist es zu viel", sagt er mit Blick auf manche Handyschnipsel seiner Fans, die teilweise eine "grottige Qualität" haben. Im Moment sind Widjaja und seine Helfer deswegen mit dem "Säubern" beschäftigt. Dass YouTube in der Musikindustrie umstritten ist, weil es die Künstler nicht an seinen Erlösen beteiligt, kümmert Widjaja nicht weiter. "Ich bin YouTube dankbar", sagt er. "Ich freue mich darüber, dass es bis in die hintersten Ecken der Welt möglich ist, meine Performance anzuschauen."
Für Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie, ist es verständlich wenn Künstler YouTube "als reine Marketingplattform" nutzen. Für einen ganzen Wirtschaftszweig wie die Musikindustrie sei es aber nicht hinnehmbar, "in die Entwicklung und Produktion von Inhalten zu investieren, mit denen dann später andere – zum Beispiel YouTube – Geld verdienen."
Persönliche Aura
Für Iskandar Widjaja ist das altes Denken. Heute würden Persönlichkeit und persönliche Aura über eine Karriere entscheiden und das Publikum in den Saal locken. Und das lasse sich aus seiner Sicht perfekt über YouTube Videos transportieren.
Geld will er damit gar nicht verdienen, auch nicht mit den Erlösen aus Downloads und Streaming, die sich nur "im Centbereich" bewegen. Doch schafft all das eine "weltweite Verfügbarkeit" und steigert so seinen Marktwert. Und der entscheidet am Ende über lukrative Konzertengagements, die dann die wirklichen Einnahmen bringen.
Ach ja, und welche Rolle spielt da eigentlich noch die gute alte CD? "CDs sind heute nicht mehr dazu da, Geld zu machen", sagt Iskandar Widjaja. "Die CD ist eine Business-Card. Du präsentierst dich auf dem Klassikmarkt mit einer Aufnahme, hinter der du 100prozentig stehst." Und dann betont Iskandar Widjaja noch einmal, dass die 100-prozentige Konzentration auf die Musik für ihn über allem anderen steht, egal wie aufwendig die digitale Inszenierung auch ist: "Denn das "ichtigste, das ist immer die Musik."