Dialog zwischen Belgrad und Pristina
7. Juli 2011In der fünften Verhandlungsrunde unter EU-Vermittlung in Brüssel einigten sich die Vertreter der Regierungen aus Belgrad und Pristina am 2. Juli auf Bewegungs- und Reisefreiheit, die gegenseitige Anerkennung der Personalausweise und Kfz-Nummernschilder, der Schul- und Hochschulabschlüsse sowie den Austausch der Personenstandsregister. Während der Kosovo-Krise (1998-1999) sind nach Einschätzung von Experten in Pristina mehr als 80 Prozent der Personenregister nach Serbien gebracht worden. Pristina und Belgrad einigten sich auf den Austausch aller Angaben über Geburten, Hochzeiten und Todesfälle. Die Polizei der EU-Mission EULEX im Kosovo soll beglaubigte Kopien der Register anfertigen und sie nach Kosovo bringen. Die Originalunterlagen bleiben jedoch in Serbien.
Im Sinne der Bürger
"Vor allem die Einigung auf Bewegungsfreiheit ist wichtig", sagte der britische EU-Diplomat Robert Cooper, der die Verhandlungen leitet. Das ermögliche den Bürgern beider Länder, mit ihrem Personalausweis ins jeweilige Nachbarland zu reisen und sich dort frei zu bewegen. Die Kosovaren dürfen derzeit nicht mit einem Personalausweis nach Serbien reisen. Allerdings betonte der Leiter der serbischen Verhandlungsdelegation, Borislav Stefanovic, der kosovarische Pass werde von Belgrad weiterhin nicht anerkannt, weil er als Symbol für die Souveränität des Kosovo gelte.
Die Vereinbarung sieht zudem die gegenseitige Anerkennung der Kfz-Nummernschilder vor. Das ist besonderes wichtig für viele Kosovaren, die im Ausland leben oder dorthin reisen möchten. Bisher waren viele Kosovaren gezwungen, wenn sie mit dem Auto verreisten, einen Umweg um Serbien zu nehmen. Anderseits haben viele Bürger aus Serbien auch Schwierigkeiten, wenn sie mit serbischen Nummernschildern nach Kosovo reisen möchten. Nun sind beide Seiten mit den erreichten Vereinbarungen zufrieden. Sie hoffen, dass diese Abkommen viele Erleichterungen für die Bürger beider Ländern bringen werden.
Geteilter Meinung
Beide Seiten versuchen jedoch, davon auch politisch zu profitieren. Die Leiterin der kosovarischen Verhandlungsdelegation, Edita Tahiri, bezeichnete diese Vereinbarungen als "ersten Schritt in Richtung einer Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo". Der gleichen Meinung ist allerdings auch die nationalistische Opposition in Serbien. "Die Vereinbarung zwischen Belgrad und den provisorischen Behörden in Pristina bedeuten einen schweren Schlag gegen die serbischen Interessen. Das ist das erste Mal in der Geschichte Serbiens, dass eine serbische Regierung eine Kapitulation als Erfolg präsentiert", so Ex-Premier Vojislav Kostunica. Dies wurde von der Regierung in Belgrad prompt dementiert. Außenminister Vuk Jeremic sagte am Montag (4.7.) in Wien, Belgrad werde die "rote Linie" nicht überschreiten. Denn Serbien werde nie die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Serbien sei jedoch auf weitere "konstruktive Gespräche mit dem Kosovo vorbereitet".
Die Einigung wurde auch von Teilen der kosovarischen Opposition in Pristina scharf kritisiert. Die Opposition beschuldigt die Regierung des Premierministers Hashim Thaci "des Verrats" an der Souveränität des Landes. Teile der Opposition wie etwa die Bewegung "Vetevendosje" sind der Meinung, mit Serbien sollten keine Verhandlungen geführt werden "außer über eine Kriegsentschädigung". Belgrad lehnt es weiterhin ab, ein schriftliches Abkommen mit Kosovo zu unterzeichnen. Die Begründung: das würde die Anerkennung des Kosovo Staates bedeuten.
Skepsis gegenüber Belgrad
Der kosovarische Analyst Behxhet Shala warnt davor, zu viele Hoffnungen in die Vereinbarungen zu setzen. Schließlich gehe es "nur um mündliche und nicht um schriftliche Abkommen". Ein anderer Analyst, Driton Lajqi, meint, Serbien werde alles tun, nur um eine Annäherung an die EU zu erreichen. Ihm zufolge wird sich Serbien weigern, diese mündlichen Vereinbarungen umzusetzen. Anderseits sagte die kosovarische Verhandlungschefin, Edita Tahiri, die Umsetzung der vereinbarten Abkommen beginne ab 1. November dieses Jahres. Belgrad indes dementierte dies.
Der Dialog unter EU-Vermittlung über die so genannten technischen Fragen zwischen Pristina und Belgrad wurde im März dieses Jahres aufgenommen. Es sind noch viele andere Fragen offen wie Telekommunikation, Katasterbücher, Stempel der Republika Kosova, Stromversorgung. Sehr bald werden auch Themen wie regionale Zusammenarbeit oder religiöses und kulturelles Erbe besprochen. Viele Experten sind jedoch der Meinung, dass Belgrad zu einem späteren Zeitpunkt erneut versuchen wird, die Statusfrage und eine mögliche Teilung des Kosovo zu verhandeln. Dies wurde allerdings - bis jetzt - sowohl von Vertretern der EU als auch von der Kosovo-Regierung, abgelehnt.
Autor: Bahri Cani / Mirjana Dikic
Redaktion: Robert Schwartz