Unterstützung für die Vorratsdatenspeicherung
18. März 2015Die Terroristen sind unter uns - möglicherweise. Und weil sie auch das Internet benutzen und telefonieren, könnte es ja sein, dass ihre Taten mit einer vorsorglichen und breit angelegten Speicherung von Telekommunikationsdaten verhindert werden könnten. Auch nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" haben Sicherheitspolitiker in Deutschland diese Hoffnung geäußert.
Die Verfechter der Vorratsdatenspeicherung haben in SPD-Chef Sigmar Gabriel nun einen gewichtigen Mitstreiter gewonnen. "Wir erleben doch gerade, dass die Welt ziemlich gefährlich geworden ist. Und ich glaube, dass wir auch in dem verfassungsrechtlich vertretbaren Umfang technisch in der Lage sein müssen, darauf zu reagieren", argumentierte Gabriel kürzlich im Deutschlandfunk. Die Koalitionspartner in der Unionsfraktion freut das. Jetzt soll es aber schnell gehen. "Jeder Tag ohne die Vorratsdatenspeicherung ist für die Sicherheit der Menschen in diesem Land ein verlorener Tag", macht Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl Druck.
Die Oppositionspolitiker der Linken und der Grünen schlagen indessen Alarm. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, dass die Daten von 80 Millionen Deutschen gespeichert werden sollen, aber das Geld für eine ordentliche Überwachung erkannter Gefährder nicht bereitgestellt werde. "Es bringt doch nichts, den Heuhaufen zu vergrößern, in dem man sucht." Linken-Politikerin Petra Pau erinnerte an die jüngsten Erfahrungen mit staatlicher Überwachung und verwies auf die Enthüllungen von Edward Snowden. "Man kann die Grundrechte nicht am Sonntag loben und dann werktags aushebeln." Unions-Vize Strobl antwortete wiederum kämpferisch. "Es sind doch nicht unsere Sicherheitsbehörden in Deutschland, die unsere Freiheit bedrohen, und wir sollten denen, die uns schützen, auch die Instrumente an die Hand geben", sagte Strobl.
Bundesjustizminister in schwieriger Lage
Nicht nur die Opposition fragt sich, was Gabriel und andere in der SPD-Parteiführung antreibt. Klar ist: die Union will die Vorratsdatenspeicherung und der Frieden in der Koalition ist auch der Führung der Sozialdemokraten wichtig. Die Überwachung steht im Koalitionsvertrag. Aber man hätte sie durchaus stillschweigend begraben können - aus Gründen der Realisierbarkeit. Aber dann stehen die Sozialdemokraten auch in Regierungsverantwortung und sollte tatsächlich etwas passieren - ein Anschlag in Deutschland, oder aus Deutschland heraus - wird man sich nicht vorwerfen lassen wollen, es wäre nicht alles Erdenkliche geschehen, um dies im Vorfeld zu verhindern. Angesichts eines solchen Was-wäre-wenn-Angstszenarios beruhigt auch die Analyse der jüngsten Terrorakte in Frankreich und Dänemark nicht. Da hat die Überwachung nicht funktioniert. Aber vielleicht hätte ja einfach nur viel mehr überwacht werden müssen.
Darüber hinaus ist das anlasslose Datenhorten unter den SPD-Mitgliedern ziemlich umstritten. Die Jusos wollen sie nicht. Anlässlich Gabriels Äußerungen gab es erneut Bedenken bei Rechts- und Netzpolitikern in der SPD. Harte Kontroversen in der Partei erwartet der netzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil. Ihm sei nach wie vor nicht klar, wie sich das unterschiedslose und flächendeckende der Speicherung mit den Grundrechten verbinden lasse. SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl zeigt sich inzwischen jedoch zu Zugeständnissen bereit und wünscht sich Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen wie Rechtsanwälte und Journalisten.
Aber wie ein Gesetz, das alle Freiheitsrechte mit dem Speicherwillen der Sicherheitspolitiker unter einen Hut bringt, aussehen könnte, ist noch unklar. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hätte dieses Problem lieber nicht am Hals. Vergangene Woche noch verkündete er, dass es nichts Neues in der Sache gebe. Jetzt will er möglichst schnell, womöglich schon in sechs Wochen eine Vorlage bereitstellen. Innenminister Thomas de Maizère (CDU) hilft ihm dabei.
Generalverdacht gegen alle
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Daten aus der Telefon- und Internetkommunikation der Bürger systematisch gespeichert. Sie sollen helfen, schwere Verbrechen und Terrortaten zu verhindern, das Umfeld von gewaltbereiten und kriminellen Tätern und Tatwilligen aufzuklären. Die Daten werden von den Telekommunikationsdienstleistern bereitgehalten. In Deutschland wurde die Vorratsdatenspeicherung bereits einmal gesetzlich verankert. Das Gesetz trat Anfang 2008 in Kraft und führte zu einer sechsmonatigen Datenspeicherung. Sie wurde von den Bundestagsabgeordneten der Union und der SPD beschlossen, aber 2010 vom Bundesgerichtshof gekippt. Die zugehörige EU-Richtlinie fiel im vergangenen Jahr einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Opfer. Der EuGH missbilligte den "Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten".
Für die Politik war das unangenehm. Das missglückte Gesetz stellte aber auch für die Forschung einen guten Ausgangspunkt dar, Fakten über Sinn und Unsinn der Vorratsdatenspeicherung zu ermitteln. In einem Gutachten für das Bundesamt für Justiz kam eine Forschungsgruppe der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht recht eindeutig zu dem Urteil, dass Vorratsdatenspeicherung nicht messbar zur Aufklärung und Verhinderung von schweren und staatsgefährdenden Verbrechen beiträgt - also Taten jenseits von illegalen Downloads und Pädophilie. Aber Politik will gestalten und deshalb verschwindet auch die Vorratsdatenspeicherung nicht von der Agenda. Prinzipiell wurde das Datensammeln von den Gerichten schließlich nicht untersagt. Doch das verfassungskonforme "Wie?" gestaltet sich knifflig.