ZDF dominiert bei Grimme-Preis 2010
10. März 2010Homosexuelle Fußballspieler, Genitalverstümmelung bei afrikanischen Mädchen, Lachen mit Ina Müller oder Oliver Welke und Dramen wie "Ein halbes Leben" oder "Frau Böhme sagt nein", die Bandbreite der Fernsehbeiträge, die das Adolf-Grimme-Institut am 26. März 2010 mit dem hoch angesehenen Grimme-Preis auszeichnen wird, ist groß. Am Mittwoch (10.03.2010) hat das Medieninstitut des Deutschen Volkshochschul-Verbandes mit Sitz in Marl die Preisträger in den Bereichen "Fiktion", "Information und Kultur" sowie "Unterhaltung" bekannt gegeben.
ZDF dominiert Sparte "Fiktion"
Vor allem für das ZDF ist die Preisvergabe 2010 besonders erfolgreich. So dominiert der Mainzer Sender mit vier von fünf Preisen die Sparte "Fiktion". Unter anderem prämiert wurde das Drama "Ein halbes Leben", in dem es um ein Elternpaar geht, das mit dem Mord an ihrer Tochter umgehen muss. Während die Mutter sich mit dem ungesühnten Tod konstruktiv auseinandersetzt, sinnt der Vater auch Jahrzehnte nach dem Verbrechen nach Rache. Die ARD holte in dieser Kategorie einen Grimme-Preis mit dem Wirtschaftsdrama "Frau Böhm sagt nein" (WDR-Produktion) mit Senta Berger in der Hauptrolle.
Eine etwas verkehrte Welt herrscht bei der Preisvergabe 2010 in den Bereich "Unterhaltung" und "Information und Kultur". Denn während bei der Unterhaltung in den letzten Jahren Produktionen der privaten Sender die Nase vorn hatten, dominierten bei den Informationssendungen in der Vergangenheit die öffentlich-rechtlichen Sender.
Verkehrte Welten
Nicht so in diesem Jahr. Beide Preise in der Sparte "Unterhaltung" gehen diesmal an öffentlich-rechtliche Produktionen. So bekommt die Künstlerin Ina Müller nach dem "Deutschen Comedypreis" nun auch den Grimme-Preis für ihre Sendung "Inas Nacht".
Auch der teilweise Wechsel von Moderator und Comedian Oliver Welke vom Privatfernsehen zum ZDF zahlt sich aus: Mit der "heute-Show" konnten er und Partnerin Martina Hill die Jury überzeugen. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut zeigte sich darüber besonders erfreut: "Mit dem Adolf-Grimme-Preis für die 'heute-show' wird unser zweiter Versuch, Kabarett und Satire auf hohem Niveau zu machen, belohnt."
Doku-Preis für Private
In der Kategorie "Information und Kultur" gewannen das Deutsche Sportfernsehen DSF und ProSieben zwei der fünf Preise. Mit dem Preis für "Tabubruch - Der neue Weg von Homosexualität im Fußball" wird die dreijährige Arbeit der DSF-Redaktion belohnt, in der homosexuelle Fußballspieler begleitet und portraitiert wurden.
ProSieben erhält die Ehrung für ein "Galileo Spezial". Unter dem Titel "Karawane der Hoffnung" wird Günther und Annette Nehbergs Kampf gegen das Verbrechen der weiblichen Genitalverstümmelung dokumentiert. Mit ihrer Organisation Target kämpfen sie seit zehn Jahren gegen dieses Vorgehen vor allem in Afrika. Der 74-jährige Nehberg sprach von einem "sensationellen Erfolg. Er wird unsere Arbeit für die Mädchen Afrikas spürbar voran bringen". Ein großes Ziel wurde bisher erreicht: Die geistliche Elite des Islam hat den Brauch zur Sünde erklärt.
Schlechte Einschaltquoten trotz hoher Qualität
Mehrere Preisträger beklagten bei der Bekanntgabe, dass es immer schwieriger werde, spannende Stoffe im Programm unterzubringen. Bedauert wurde auch, dass Dominik Grafs preisgekrönter "Kommissar Süden" bereits nach zwei Folgen wegen schlechter Einschaltquoten abgesetzt worden sei. Solche Perlen des Programms hätten mehr Hege verdient, sagte der Direktor des Grimme-Instituts, Uwe Kammann.
Mit dem ZDF-Krimi "Kommissar Süden und der Luftgitarrist" im Bereich "Fiktion" erhält Graf die achte Trophäe des Grimme-Instituts. Der Regisseur sei damit "der König" unter den Preisträgern, sagte Kammann. Bei den ausgewählten Produktionen handele es sich "um Stoffe, mit denen die Sender was wagen", sagte Jurymitglied Thomas Gehringer. Er bedauerte, dass es in der TV-Serienlandschaft keine große Vielfalt gebe.
Weltweite Themen
In der Kategorie Information und Kultur erhält Shaheen Dill-Riaz einen Preis für die Dokumentation "Eisenfresser" (BR/ARTE/RBB). In dem Film über Saisonarbeiter in Bangladesch, die die ausgemusterten Schiffe der Industrieländer abwracken, werde deutlich, "dass das Wort Wohlstandsmüll eine ziemlich brutale Verharmlosung dessen ist, was wir da den Menschen in Bangladesch zumuten", urteilte die Jury.
Weitere Preise in dieser Kategorie gehen an die Dokumentation "Henners Traum" (ZDF) von Klaus Stern sowie an die Dokumentation "Tiananmen" (ARD/WDR/ARTE/NDR) von Thomas Weidenbach und Ming Shi.
Erinnerungen an 1989
Der Juryvorsitzende für die Kategorie "Information und Kultur", Werner Ruzicka, lobte die Sender dafür, dass sie "verstärkt zeitnahe Themen" aufgreifen und im Jahr 2009 beim Thema 20 Jahre Mauerfall "Wirklichkeit zurückholen und Geschichte frisch" machten.
"Tiananmen"-Regisseur Thomas Weidenbach wies darauf hin, dass der Beitrag aus Anlass des 20. Jahrestages des Massakers vom Pekinger Platz des Himmlischen Friedens der einzige Film im öffentlich-rechtlichen Fernsehen des Jahres 2009 gewesen sei, der sich mit diesem Thema beschäftigt habe.
Auch Kindersendung prämiert
Der Sonderpreis Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen geht in diesem Jahr an die Sendung "Wie macht der Künstler Kunst?" aus der Reihe "Willi wills wissen" (BR). Der Preis sei auch eine Auszeichnung für Helmar "Willi" Weitzel, der in 180 Folgen der Reihe "Wissbegierde" unter Beweis stellt. Die Jury betonte, dass die Reihe dank ihrer "vorbildlich kindgerechten Kombination von Theorie und Praxis" eine "herausragende Rolle im Kinderfernsehen" einnehme.
Autorin: Marion Linnenbrink (dpa, epd)
Redaktion: Dirk Eckert