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Wenn Medien zur Sucht werden

Ruben Kalus
24. Dezember 2016

Medien umgeben uns überall, jeden Tag. Doch so praktisch und hilfreich Smartphones, Computer und Co. auch sein mögen, sie haben auch ihre Schattenseiten - und können uns sogar krank machen.

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Symbolbild Jugendlicher mit Smartphone
Bild: picture-alliance/dpa/K. Hildenbrand

Das Smartphone ist heutzutage unser ständiger Begleiter: Mit Spotfiy hören wir Musik, mit Whatsapp verschicken wir Nachrichten und auf Netflix gucken wir Filme und Serien. Wir nutzen es für private und berufliche Zwecke und verbringen so mehre Stunden täglich mit ihm. Das führt so weit, das manch einer das Gefühl hat, ohne sein Smartphone gar nicht mehr Leben zu können. Dazu kommt, dass in unserer Gesellschaft der ausgiebige Gebrauch von Medien und Smartphones im Alltag bereits so verwurzelt ist, dass es schwer fällt, zu sagen, ob jemand süchtig ist oder einfach nur ein intensiver Nutzer.

"An der Stundenzahl alleine kann man es nicht festmachen", sagt Andreas Pauly, der als Medienpädagoge in Bonn arbeitet. Der Weg bis zur Sucht verlaufe in fünf Schritten, erklärt er: Zuerst komme das Ausprobieren, wenn man zum Beispiel ein Computerspiel zu allerersten Mal spielt. Die zweite Phase sei der Genuss, wenn man durch den Gebrauch von Medien Befriedigung verspüre, gefolgt von der dritten Stufe: der Gewöhnung. Kritisch würde es beim vierten und vorletzen Schritt - dem Missbrauch. Hier ginge der Konsum bereits über ein gesundes Maß hinaus. Am Ende des Prozesses stünde dann die Sucht: "Wenn ich reale Freundschaften vernachlässige oder nicht mehr zu meinem regelmäßigen Hobby gehe, dann wird es tatsächlich ungesund", so Pauly.

Medienpädagoge Andreas Pauly
Andreas Pauly: "Zwischen exzessivem Gebrauch und Sucht ist es ein schmaler Grat"Bild: Bernd Lehnert

Mit dem Handy unter die Dusche

Laut einer aktuellen Studie verbringen Jugendliche in Deutschland im Durchschnitt drei bis vier Stunden täglich im Internet. Hauptsächlich sind sie online, um mit Freunden zu chatten, Social Media zu nutzen, Videos zu schauen oder Musik zu hören. Aber das Bedürfnis, ständig digital miteinander vernetzt zu sein, kann zu ungesundem Verhalten führen, wie Pauly anhand der Nutzung von Apps wie Instagram ausführt: "'Ich muss dann online gehen, da meine Freundin gleich ein Foto liked' oder 'Ich habe so viele Follower, die darauf warten, dass ich wieder etwas hochlade' oder 'Ich muss unter der Dusche den Zipbeutel benutzen, um online zu sein, damit ich nichts verpasse'."

Die körperlichen Auswirkungen von Verhaltenssüchten wie der Mediensucht sind messbar, erklärt Pauly: "Verhaltenssucht heißt, durch ein Verhalten wird ein ähnlicher Effekt wie bei Alkohol im Gehirn ausgelöst, sodass ich tatsächlich in einen Rausch komme und das Gefühle habe, ich erlebe einen Kick."

Für Süchtige, die das Gefühl haben, ihre Sucht nicht alleine bewältigen zu können, gibt es spezielle Rehabilitationskliniken, in denen mit Verhaltenstherapien daran gearbeitet wird, wieder zu einem gesunden Medienkonsum zurückzufinden. Aber dadurch, dass Medien im Alltag omnipräsent sind, ist es gar nicht so einfach, den eigenen Konsum zurückzustufen: "Auf Alkohol kann ich verzichten, um diese Sucht wirklich auszuknocken, aber ich werde mein Leben nicht mehr ohne Medien gestalten können", erklärt Pauly das Dilemma. Während des Versuchs, die eigene Sucht zu überwinden, können bei Patienten sogar Entzugserscheinungen wie Schweißausbrüche, Aggressivität oder Schwindelgefühle auftreten.

Es gibt ein Leben jenseits des Internets

Pauly arbeitet für eine Bonner Einrichtung zur Prävention von Mediensucht mit dem Namen "Update". "Wir sind eher in der Prävention und Intervention unterwegs, bei Fällen wo es noch nicht so ganz im schlimmen Bereich ist. Und die erreichen wir sehr gut über Beratung und Gruppenangebote, sodass sie diese Erfahrungen dann mit anderen teilen können." Um Jugendlichen zu zeigen, dass es ein Leben jenseits des Netzes und der Medien gibt, organisiert er zum Beispiel gemeinsame Aktivitäten wie Kochabende oder Sportevents.

Es sei wichtig, dass Jugendliche auch mal einige Zeit offline verbringen, so Pauly, damit sie soziale Kompetenzen wie Face-to-Face-Kommunikation erlernen könnten, bei der sich ihre Gefühle nicht durch Emoticons ausdrücken ließen. Eine weitere wichtige Fähigkeit sei es, Kreativität zu entwickeln - eine Eigenschaft, die ein Smartphone oder ein Computer nicht besitze.

Schatten eines Beachvolleyballspielers auf dem Sand
Um ein wenig Zeit abseits von Medien zu verbringen, organsiert Andreas Pauly zum Beispiel Volleyballspielen für JugendlicheBild: Shah Maraii/AFP/Getty Images

Ein weiteres Programm, das Pauly leitet, heißt "Net Piloten". Hierfür besucht er Schulen, an denen er Workshops organisiert und betreut, in denen er Schülern und Lehrern die Chancen und Risiken von Medien erklärt. Ziel ist es, dass die Schüler - die sich freiwillig für den viertägigen Workshop gemeldet haben - ihr erlerntes Wissen zum Thema Medienkompetenz an ihre Mitschüler weitergeben können. Dieser Ansatz folgt dem "Peer-Gedanken", nach dem Jugendliche Ratschläge oft eher von Gleichaltrigen annehmen als von Erwachsenen.

"Bevor es zum Problem wird"

Aber das Bedürfnis, von Zeit zu Zeit auch mal abzuschalten, trifft nicht nur auf Kinder und Jugendliche zu, erklärt Pauly: "Es gibt immer mehr Betriebe, die auch Wert darauf legen, dass es Offline-Zeiten gibt, weil die Leistungsfähigkeit natürlich sinkt. Es muss Entspannungsphasen geben." Allein schon das blaue Licht von Smartphone und Co., so der Medienpädagoge, sorge dafür, dass wir weniger tief bzw. gut schlafen.

Jemand bedient gleichzeitig ein Smartphone und einen Laptop
Grelles Bildschirmlicht kann zu schlechterem Schlaf führenBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Neben einer reduzierten Leistungsfähigkeit kann exzessiver Medienkonsum weitere psychologische Probleme verursachen, sagt Hayley Hamilton, Professor am kanadischen Institute for Mental Health Policy Research: "Häufiger Gebrauch von elektronischen Geräten und Nutzung von Social Media stehen in Zusammenhang mit psychischen Problemen wie Stress und einer schlechteren Selbsteinschätzung des eigenen psychischen Wohlbefindens. Unsere jüngsten Forschungsergebnisse bestätigen, dass wir dringend ein gesundes Maß für Medienkonsum definieren müssen, und jeder den eigenen Gebrauch von Elektrogeräten reflektieren sollte, bevor es zum Problem wird." 

Es gibt genügend - auch relativ einfache - Wege, um den eigenen Medienkonsum im Alltag zu reduzieren: Sich mit einem Freund auf eine Tasse Kaffee treffen, statt Nachrichten hin und her zu schicken, jemanden auf der Straße nach dem Weg fragen, statt Google Maps anzuschmeißen oder ein Konzert einfach mal genießen, ohne jeden Song aufzunehmen. Das beugt nicht nur einer Medienabhängigkeit vor, sondern zeigt auch, dass es immer noch ein Leben offline gibt.