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Glaube

ZeitenEnde

5. Dezember 2023

Seit der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Angriff auf die Ukraine ist der Begriff „Zeitenwende“ in aller Munde. Der letzte Sonntag im Kirchenjahr heißt: Christkönigsonntag. Hier geht es um „ZeitenEnde“.

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Deutschland, Saarbrücken | "Mosaik Chorraum" der Christkönigkirche
Bild: Werner Grothusmann/Katholische Kirche

Gedanken zum letzten Sonntag im katholischen Kirchenjahr

Es gibt diese Formulierungen, die – in einer bestimmten Situation ausgesprochen – den Weg in einen „kollektiven Sprachgebrauch“ finden. So das „Wir schaffen das“ von Kanzlerin Merkel, so die „Zeitenwende“, die Bundeskanzler Scholz in seiner Rede nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine prägte. Seitdem ist „Zeitenwende“ in vieler Munde, um das aktuelle Geschehen in seiner Komplexität zu beschreiben. Dem 24. Februar 2022 ist traurigerweise der 7. Oktober 2023 als weitere „Zeitenwende“ hinzugesellt. Und zwischen diesen einschneidenden Daten der aktuellen Weltgeschichte sind noch weitere hinzuzählen, andere werden noch kommen, und die je persönlichen „Zeitenwenden“ in unserem Leben werden auch nur schwer zählbar sein.

Als Christ betrachte ich „Zeitenwende“ etwas anders als die aktuelle Verwendung dieses Wortes. Ist „Zeitenwende“ doch da geschehen, wo Gott auf nie gekannte Weise in diese Zeit eingreift: indem er nämlich in Gestalt seines Sohnes selbst Bestandteil dieser Zeit wird! An Weihnachten beginnen wir diese ZEITENWENDE zu feiern, die alljährlich an Ostern den Höhepunkt ihrer Feier erfährt. (Nicht zuletzt zählen wir unsere Jahre ab diesem „Datum“ der Geburt des Christus an.)

Zu dieser christlich inspirierten ZEITENWENDE gehört auch der Gedanke vom ZeitenEnde – bildlich dargestellt am letzten Sonntag eines Kirchenjahres im Christkönigfest. Gewissermaßen als „Jahresschlussbild“ wird Christus als der kommende Weltenherrscher vor Augen gestellt. Die christlichen Glaubensbekenntnisse formulieren es so: im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es „… der wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten“; im Nizänokonstantinopolitanischen (auch Großes genannt): „und wird wiederkommen in Herrlichkeit zu richten die Lebenden und die Toten, seiner Herrschaft wird kein Ende sein“ – in der Schlussformulierung dieses Credo schließlich: „(und wir glauben) an das Leben der kommenden Welt“. 

Dabei geht es ganz und gar nicht um Phantasmagorien von Untergang und Zerstörung, sondern um ganz anderes: um Aufrichten, um Zurechtrücken, darum, dass gelebtes Leben seine Gültigkeit hat und es eine wirkliche und wirkmächtige Gerechtigkeit geben wird. 
Das „Jahresschlussbild“ des Christuskönig ist für mich demnach eine große Ermutigung, angesichts der Absurditäten des Lebens und der Welt nicht daran zu verzweifeln. 

Untermauert wird diese Botschaft von den biblischen Texten, die am Christkönigsfest zu hören sind. Je nach Lesejahr wird der Blick auf die Passion Jesu gelenkt: der am Kreuz Sterbende wird in den Blick genommen, WEIL er dort seine Königswürde herstellt. Damit bricht die Liturgie des letzten Sonntags im Kirchenjahr mit allen menschlichen Machtphantasien, wie sie uns gerade in unseren Tagen an vielen führenden (meist männlichen) politischen Akteuren abschreckend vor Augen geführt werden. 

Bei diesem König zählen nicht „Pomp and circumstances“, sondern das von ihm in aller Freiheit vollumfänglich angenommene Leid des Menschen und aller Kreatur. Und bei diesem König zählt, dass er durch seinen „Kreuzesthron“ der ist, der auferstehend alles, was geschaffen ist, in eine neue, ewige Lebensbeziehung zu seinem Ursprung – Gott selbst – führen will. 

Das ZeitenEnde, das der Christkönigsonntag ankündigt ist also absolut „zukunftslastig“ – im besten Sinn dieses Wortes: es gibt eine grundlegende Perspektive auf ein Morgen, das von Gott selbst auf uns zukommt. Es ist erkennbar im Gesicht eben des Menschensohnes, den wir als den Leidenden und Auferstandenen wiedersehen werden. Damit unser Blick während unseres „Dahinstolperns“ durch die „Zeitenwenden“ dieser Welt nicht getrübt oder gar schläfrig oder abgestumpft wird, hat dieser Christuskönig uns noch ein gültiges Patent mit auf den Weg gegeben: im anderen – vor allem: notleidenden – Menschen IHN selbst erkennen zu können. 
 
Benedikt Welter

 

Domkapitular Benedikt Welter, geboren 1965. Studien der Philosophie und Theologie in Trier und Salzburg von 1984 – 1990. 1991 Priesterweihe. Von 1994 – 1996 Assistent des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier. Von 1996 – 2002 Hochschulpfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde Trier, anschließend freigestellt für Studien. Von 2005 – 2021 Pfarrer in Saarbrücken (Alt-Saarbrücken und St. Arnual), von 2010 bis 2021 zusätzlich Dechant des Dekanates Saarbrücken. Seit 2016 Sprecher im Wort-zum-Sonntag-Team. Seit 2021 Domkapitular an der Hohen Domkirche Trier, seit Januar 2022 Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Trier e. V. und Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Heiligkreuz in Trier.

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.