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Politik

"Die Russen werden Teil des Konfliktes"

Mikhail Bushuev
5. August 2018

Wie macht sich die russische Präsenz in Zentralafrika bemerkbar? Wer kontrolliert die Region, in der drei russische Journalisten ermordet wurden? Die DW sprach mit dem Zentralafrika-Experten Tim Glawion.

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Zentralafrikanische Republik Kämpfer mit Waffen in Koui
Bild: Reuters/B. Ratner

Deutsche Welle: Herr Glawion, Russland liefert der Zentralafrikanischen Republik seit kurzem Waffen und strebt dort wahrscheinlich im Gegenzug Konzessionen für die Ausbeutung von Rohstofflagern an. Sind vor Ort russische Spuren zu sehen?

Tim Glawion: Das kommt darauf an, wo man unterwegs ist. Es gibt in der Hauptstadt ein paar kleinere Spuren; beispielsweise wurde die Straße vor der russischen Botschaft vor dem Antrittsbesuch eines hohen russischen Politikers vor ein paar Monaten geteert. Es wird über Russland gesprochen, auch in den Medien, was in der Vergangenheit viel seltener der Fall war. Wenn man mehr sehen will, muss man ein bisschen aus der Hauptstadt Richtung Berengo rausgehen. Dort haben sich die russischen Militär-Ausbilder einquartiert. Sie versuchen, der zentralafrikanischen Armee ihre Waffen und den Gebrauch von Strategie zu vermitteln. Insgesamt wird das von der zentralafrikanischen Bevölkerung sehr positiv aufgenommen.

Die russische Regierung war die erste, die bereit war, wirklich Waffen zu liefern sowie aktiv und schnell die Armee auszubilden. Zwar macht das die Europäische Union auch schon seit einigen Jahren, aber mit viel, viel mehr Restriktionen, was die Übergabe von Waffen, die Ausbildung, die Strategieführung usw. angeht.

Was weiß man vor Ort über die russische Truppe, abgesehen davon, dass sie sich in Berengo aufhält?

Die Bevölkerung war zwar zum großen Teil zunächst einmal froh. Andererseits stellen sich natürlich auch viele Fragen: Wer genau ist das und was wollen die hier? Da gab es vor kurzem beispielsweise ein Video, das in einer Dokumentation von France 24 gezeigt wurde. In dem Handy-Video, aufgenommen von einem Rebellen im Norden, ist zu sehen, wie russische Militärberater einen Konvoi durch das Rebellengebiet fahren, dort mit den Rebellen in Kontakt treten und Geschenke machen. Diese Rebellen nehmen sie aber gleich in die  Mangel. Sie wollen nicht nur die Geschenke, sondern auch alles andere, was die Russen in ihrem Konvoi hatten, auch Waffen, die eigentlich für die Regierung gedacht waren. So einstimmig positiv ist die Einschätzung der Russen nicht, und es wird immer kontroverser, je länger sie hier sind.

Ein ehemaliger Verteidigungsminister der Zentralafrikanischen Republik beklagte gegenüber der DW die ausländische Einmischung in seinem Land. Er meinte, vor allem die Präsenz von Franzosen und Russen führe zu mehr Konflikten. Nimmt die Gewalt zu?

Zentralafrikanische Republik - Portrait Tim Glawion
Tim Glawion vom GIGA Institut für Afrika-StudienBild: Sascha Bachmann

Zunächst muss man erkennen, dass es hier in der Hauptstadt eine große politische Auseinandersetzung gibt. Es gibt viele Leute, die gerne den Präsidentenposten oder andere sehr hohe Posten besetzen würden. Alles, was dem Präsidenten zu nutzen scheint, findet deswegen Widerspruch bei anderen, die gegen den Präsidenten sind. Das schließt natürlich gerade solche Minister und Politiker ein, die durch den Präsidenten entlassen wurden und nun keine Position mehr füllen. Es werden Gerüchte darüber gestreut, was die Russen hier machen, und dadurch werden sie Teil des Konfliktes.

Die russische Regierung hatte vielleicht gehofft, hier relativ neutral auftreten und ohne große Reibungen einen Gewinn aus dieser Situation ziehen zu können, vielleicht gerade mit ökonomischen Verträgen. Jetzt merken sie sicherlich, dass das nicht der Fall ist, dass man in die Zentralafrikanische Republik, wo es so viele diverse Gruppierungen gibt, nicht einfach so einmarschieren, ein Militär aufbauen und dadurch ein paar Verträge unterzeichnen kann. So leicht geht das nicht. Nun sind leider auch zivile russische Journalisten genau zwischen die Fronten geraten.

Ob durch die russischen Lieferungen, durch den russischen Eingriff der Konflikt zunimmt, das werden wir abwarten müssen. Aber klar ist, dass die Russen ein weiterer Faktor, eine weitere Partei sind, die in den Konflikt eingreift. Wenn die russischen Truppen gedacht haben, sie könnten mit den Konfliktparteien spielen, dann haben sie sich getäuscht. Im Gegenteil. Die Parteien nutzen die russische Seite wiederum als Spielball in dem Konflikt, der im Land herrscht.

Die drei russischen Journalisten sind weit von der Hauptstadt Bangiu entfernt ermordet worden. Wer hat in der Region das Sagen? War es waghalsig, ohne bewaffnete Sicherheitsleute dorthin zu fahren?

Es gibt wenige Regionen in diesem Land, die ganz klar unter der Kontrolle einer Gruppe stehen. Die Region, wo die russischen Journalisten waren, ist zwischen mehreren Gruppen umstritten. Dementsprechend läuft die Gerüchteküche heiß. Gerüchte spielen dann eine wichtige Rolle, wenn eine Gruppe das Gefühl hat, die Russen sind da, um sie zu bekämpfen oder um ihren Gegnern Waffen zu liefern. Dann ist das ein Grund sie anzugreifen. Meine Interpretation ist, dass die Journalisten nicht als Journalisten angegriffen wurden, sondern als Teil der russischen Interventionstruppe fehlverstanden wurden. Das heißt, dass sie als Zielscheibe genutzt wurden, um Russland anzugreifen, und nicht unbedingt die freie Presse.

Tim Glawion ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Afrika-Studien (GIGA – German Insitute of Global and Area Studien). Zum Zeitpunkt des Interviews befand er sich in der Zentralafrikanischen Republik.

Das Gespräch führte Mikhail Bushuev