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Zentralafrika: Kein Ende der Krise in Sicht

Linda Staude19. September 2016

Die Séléka-Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik scheinen sich neu zu formieren, bei jüngsten Kämpfen starben 20 Menschen. Auch zwei Jahre nach Beginn der UN-Mission kommt das Land nicht zur Ruhe.

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Zentralafrikanische Republik Ausschreitungen Gewalt Christen Muslime 30.01.14
Bild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images

Ein Traube Menschen drängt sich um einen Lastwagen. Helfer verteilen Lebensmittel an die hungrigen Vertriebenen im Camp M'Poko, direkt neben dem internationalen Flughafen von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Die wackeligen Unterkünfte unter löchrigen Plastikplanen stehen dicht an dicht. Endlose Reihen davon, über Kilometer verteilt. 30.000 Menschen haben hier Schutz gefunden - zu verängstigt, um in ihre Häuser zurückzukehren.

"Das wäre der sichere Tod, wenn dich jemand als Muslim erkennt", sagt eine der Geflohenen, Aisha. "Es herrscht noch kein Frieden. Eine Menge Leute reden über Versöhnung, aber die gibt es bisher nicht. Wenn ein Muslim in bestimmten Gegenden auftaucht, wird er sofort getötet."

Aisha ist vor der Gewalt geflüchtet, die seit rund drei Jahren die Zentralafrikanische Republik zerreißt. Die Gräueltaten der vorwiegend muslimischen Séléka-Rebellen und die blutigen Rache-Akte der christlichen Anti-Balaka-Miliz haben das Land ins Chaos gestürzt - bis heute.

Tickende Zeitbombe

"Das zentrale Problem ist, eine Übereinkunft zwischen der Regierung und den bewaffneten Gruppen zu erreichen, so dass diese ein Programm zur Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration akzeptieren. Aber bisher sind wir noch sehr weit entfernt von einem solchen Kompromiss", sagt Thierry Vircoulon. Er war jahrelang der Zentralafrika-Experte bei der International Crisis Group und forscht jetzt am Französischen Institut für Internationale Beziehungen IFRI in Paris.

Die Milizen wollten an der Regierung teilhaben und in die reguläre Armee aufgenommen werden, so Vircoulon. Er hält einen solchen Deal für keine gute Idee. "Aber die internationale Gemeinschaft und die UN drängen auf einen Kompromiss zwischen der Regierung und den Milizen, weil sie nicht die Kapazitäten haben, die bewaffneten Gruppen zu neutralisieren."

Seleka-Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik Foto: AP Photo/Jerome Delay
Die Séléka-Rebellen haben ihre Waffen noch nicht abgegebenBild: picture alliance/AP Images

Die haben im Kampf um Macht, Land und reiche Rohstoffvorkommen wie Gold, Diamanten, Uran und Erdöl mindestens 6.000 Menschen brutal ermordet. Der zwölfjährige Francois ist eines von mehr als 10.000 Kindern, die von den Milizen als Kanonenfutter, als Arbeits- und Sexsklaven missbraucht wurden: "Ich hatte eine Tante, die sich um mich gekümmert hat", erzählt er. "Aber als die Séléka gekommen sind, haben sie meine Tante und meinen Cousin getötet. Deshalb habe ich mich den Rebellen angeschlossen: Um ihren Tod zu rächen."

Was die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik mitgemacht hätten, das stecke noch immer in ihnen, sagt Dieudonné Nzapalainga, der Erzbischof von Bangui. "Das ist wie eine tickende Zeitbombe."

Enttäuschte Hoffnungen

Ein knappes halbes Jahr ist es her, dass Faustin Archange Touadéra als neuer Präsident des Landes vereidigt wurde. Hervé Ladsous, Leiter der UN-Friedensmission MINUSCA, deutete das als "entscheidenden Schritt auf dem Weg zu Fortschritt, Entwicklung und Versöhnung".

Aber die großen Hoffnungen nach der Wahl und nach dem Besuch des Papstes im vergangenen November haben sich bisher nicht erfüllt. Nicht zuletzt, weil der frisch gewählte Präsident schon einmal Regierungschef war - unter seinem weggeputschten Vorgänger Bozizé. "Das ist höchst problematisch, weil es natürlich das Gefühl der bewaffneten Gruppen verstärkt, dass sie verloren haben. Dass die Wahlen Anfang des Jahres nur zur Wiedereinsetzung des früheren politischen Establishments geführt haben", sagt Konfliktforscher Vircoulon.

Faustin Archange Touadéra Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images
Präsident Faustin Archange TouadéraBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Missbrauchsskandal bei den Blauhelmen

Touadéra versichert dagegen immer wieder, was er schon im Wahlkampf versprochen hat: Dass er ein Präsident der Versöhnung sein wolle. Die Bevölkerung engagiere sich sehr für den Frieden und die nationale Aussöhnung, sagte er auf einer Reise in den rebellischen Norden des Landes. Seine Botschaft sei: "Es gibt keinen anderen Weg als die Suche nach Frieden und nationaler Aussöhnung."

Doch Gewalt gehört nach wie vor zum Alltag in der Zentralafrikanischen Republik. Daran haben auch die internationalen Friedenstruppen nichts geändert. Im Gegenteil, die internationalen Beschützer werden neuer Gräueltaten beschuldigt: Des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung in dutzenden von Fällen.

Menschen in Bangui stehen UN-Blauhelmen gegenüber Foto: picture-alliance/AP Photo/A. Medichini
Beschützer oder Täter? UN-Soldaten in der Zentralafrikanischen RepublikBild: picture-alliance/AP Photo/A. Medichini

Die Lage der Zivilbevölkerung ist ohnehin verfahren. Rund eine Million Menschen sind immer noch auf der Flucht - ein rundes Fünftel der Bevölkerung. Zweieinhalb Millionen sind dringend auf Lebensmittellieferungen angewiesen.

Das immer gleiche Schema

Die Chancen auf Besserung stehen nicht gut: Beobachter befürchten, dass die bewaffneten Gruppen noch vor Ende des Jahres eine neue Offensive auf Bangui starten könnten, um die Regierung unter Druck zu setzen. Das würde eine Katastrophe für die Menschen bedeuten - und einmal mehr gescheiterte Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft. Diese gehe nach ihrem üblichen Muster vor, sagt Vircoulon: "Erst eine Übergangsregierung, dann eine Blauhelm-Mission, Wahlen und als nächster Schritt eine Geberkonferenz. Egal ob in Mali, der Zentralafrikanischen Republik oder in Somalia - das ist immer dieselbe Schablone und nicht an die unterschiedlichen Zusammenhänge angepasst. Deswegen funktioniert sie meistens auch nicht sonderlich gut."

Damit könnte der Zentralafrikanischen Republik das gleiche Schicksal drohen, wie anderen Dauer-Krisenherden der Region: Ein gescheiterter Staat im Griff von gesetzlosen Milizen, die nach Belieben plündern, brandschatzen und morden.