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Zerebralparese: Mit Fußball gegen das Stigma

Emmanuel Ayamga
2. April 2023

Für viele Kinder in Ghana kann eine zerebrale Lähmung bedeuten, dass sie ein Leben lang gesellschaftlich ausgeschlossen sind - insbesondere vom Sport. Doch ein Verein im Land will für Veränderungen sorgen.

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Ghana | Fußball für Menschen mit zerebraler Lähmung
Bild: Emmanuel Ayamga

"Man muss immer auf der Hut sein", sagt Torhüter Sayuti Alhassan, der in seinen blauen Stiefeln und dunklen Handschuhen eine gute Figur macht im Gespräch mit der DW. "Du weißt, dass du auf einer Seite Schwächen hast. Du kannst abtauchen und den Ball retten, wenn er in Richtung deiner stärkeren Hand gespielt wird. Auf der anderen Seite kassierst du ein Gegentor, wenn du nicht schnell reagierst." Wie viele Menschen in Ghana hat sich Sayuti schon im Kindesalter in den Fußball verliebt. Er trieb sich im Haus herum und trat gegen jeden Gegenstand, der ihm in die Quere kam. Seine Eltern kauften ihm einen Ball, sobald er seine ersten Schritte machen konnte.

Doch all die Lebhaftigkeit und der Überschwang verblassten für Sayuti kurz vor seinem vierten Geburtstag. Bei ihm wurde eine zerebrale Lähmung (CP) diagnostiziert, er konnte seinen linken Arm und sein linkes Bein nicht mehr bewegen. Zerebralparese bezeichnet eine Gruppe von Symptomen mit Bewegungsstörungen und Muskelsteife (Spastik). Sie wird verursacht durch Fehlbildungen des Gehirns, die während der Gehirnentwicklung vor der Geburt oder durch einen Gehirnschaden vor, während oder kurz nach der Geburt entstehen.

Während seiner gesamten Schulzeit galt Sayuti bei seinen Mitschülern und Lehrern dann auch als "Kränkler". Seine Eltern hielten ihn auch von allen körperlichen Aktivitäten fern, weil sie befürchteten, dass sich sein Zustand verschlimmern könnte. Doch sein Traum, Fußballer zu werden, wurde durch die zufällige Begegnung mit einem körperlich behinderten Sportler neu belebt. "Ich habe einen Torhüter einer Amputiertenmannschaft gesehen und festgestellt, dass er nur eine Hand benutzt", sagt Sayuti. "Da dachte ich mir, dass ich das auch kann." Also habe er wieder angefangen zu spielen.

Zerebralparese-Club bietet Hoffnung

Sayuti ist jetzt einer von 30 Spielern des Fußballklubs Ayawaso CP, dem ersten und bislang einzigen organisierten CP-Team in Ghana. Für den vor vier Jahren von Emmanuel Akpabli gegründete Verein aus der Stadt Nima sind Fußballer mit verschiedenen Arten von Zerebralparese aktiv. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen von CP betroffenen Menschen mit Leidenschaft und Talent für Fußball einen Sinn zu geben.

Sayuti Alhassan steht auf einem geteerten Platz
Sayuti Alhassan glänzt trotz körperlicher Einschränkungen auf dem FußballplatzBild: Emmanuel Ayamga

Da es für das Team in Ghana keine Fußballliga gibt, fragt Ayawaso CP reguläre Teams der unteren Spielklassen für Freundschaftsspiele an. Akpabli hat den Verein mit seinem eigenen Geld finanziert, und obwohl es wenig weitere Unterstützung gab, sagt er, dass es ihm Freude bereite, den Spielern unter seiner Obhut ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. "Sie suchen nach Jobs, aber niemand will ihnen welche geben. Also geben sie hier [im CP-Fußball] alles", erklärt der Klubgründer.

Wie viele Profiklubs rekrutiert Ayawaso CP seine Spieler durch Scouting. Andere wurden auch von der Straße, wo sie als Obdachlose lebten, zum Team geholt. Viele Eltern seien einfach glücklich, ihre Kinder an einen Ort zu bringen, wo ihr Handicap nicht beurteilt und stereotypisiert wird. "Manche der Kinder haben keine Freunde zum Spielen", sagt Cheftrainer Abdul Karim Mustapha. "Die Stigmatisierung ist so groß, dass Eltern überrascht sind, wenn sie hören, dass wir Zeit für Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben. Also rufen sie schnell an und bringen sie ins Team.“ Die Fülle an Talenten im Teams ist so groß, dass auch Ghanas CP-Nationalmannschaft auf eine Reihe von Ayawaso-Spielern zurückgreift.

Zerebralparese gibt es in Ghana häufig

Laut den Daten der letzten Volks- und Wohnungszählung in Ghana lebt in jedem dritten Haushalt ein Kind mit einer Behinderung, das aufgrund seiner Erkrankung nicht zur Schule gehen kann. Insbesondere Fälle von Zerebralparese sind im Land weit verbreitet. Etwa eines von 300 Neugeborenen ist in Ghana betroffen.

Emmanuel Akpabli (2.v.r.) steht vor seiner Fußballmannschaft und hält eine Besprechung ab
Emmanuel Akpabli (2.v.r.) engagiert sich für Menschen mit zerebraler LähmungBild: Emmanuel Ayamga

Das "Center for Learning and Childhood Development" schätzt, dass 85 Prozent der Kinder mit CP in Ghana keine formelle Bildung erhalten, weil sie nicht die grundlegenden funktionalen Fähigkeiten erfüllen, die die Regierung für die Einschulung vorgibt. Einen Ausweg aus dieser Ausgrenzung bietet oft der Sport. Im Gegensatz zu anderen Parasportarten wie Leichtathletik, Fußball für Amputierte, Rollstuhlradfahren und Torball ist CP-Fußball in Ghana noch ziemlich neu.

Laut Akpabli gibt es Pläne, mehr CP-Fußballklubs im ganzen Land zu gründen. Ziel sei es abei, alle Menschen mit Zerebralparese, die Fußball spielen möchten, willkommen zu heißen. Ghana ist noch immer eines der wenigen afrikanischen Länder mit einer CP-Nationalmannschaft. Das erste CP-Fußballspiel in der Geschichte des Landes fand gegen Nigeria statt und endete mit 0:7.

Als langfristiges Ziel will man sich bei der "Cerebral Palsy Football Federation" für den "IFCPF World Cup" oder die "IFCPF World Championships", die beiden größten Wettbewerbe für die CP-Nationalmannschaften, qualifizieren. Doch CP-Fußball bleibt einer der am schlechtesten finanzierten Sportarten in ganz Westafrika. Interne Streitereien in der Hierarchie des "Ghana Cerebral Palsy Football Federation" haben zudem auch zu einer Führungskrise geführt, die der Entwicklung des Sports schadet.

Kampf um die Finanzierung

Und während Ghanas Fußball-Nationalmannschaften weiterhin mit finanziellen Mitteln verwöhnt werden – das Fußball-Team der Männer gab 5,1 Millionen Dollar bei der WM 2022 in Katar aus – erhalten CP-Fußball und andere Parasportarten nur sehr wenig Unterstützung von der Regierung und sind normalerweise auf das Wohlwollen von Einzelpersonen angewiesen.

Die Spieler des Ayawaso CP FC auf einem Gruppenfoto
Die Spieler des Ayawaso CP FC wollen weiter ihrer Leidenschaft nachgehenBild: Emmanuel Ayamga

"Wir brauchen mehr CP-Fußballmannschaften, um überhaupt eine Liga zu haben und Menschen zu fördern und von der Straße zu holen. Mit der Stigmatisierung, der sie sich ausgesetzt sehen, ist nicht einfach umzugehen", sagt Ayawaso-Trainer Mustapha. Sayuti Alhassan, dessen Idol Torwart Thibaut Courtois von Real Madrid ist, sagt dass er "weiter trainieren und auf meine Gelegenheit warten" werde. Das ist alles, was er im Moment tun kann. 

Aus dem Englischen adaptiert von Jörg Strohschein.