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Binnenmarkt EU-USA

Christoph Hasselbach19. Juni 2013

Die EU und die USA wollen zusammen die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Die Hoffnungen sind ebenso groß wie die Ängste. Doch die Verhandlungen werden wohl Jahre dauern.

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Containerhafen Bremerhaven (Foto: picture alliance/Bildagentur Huber)
Container-Terminal in BremerhavenBild: picture alliance/Bildagentur Huber

Die EU-Kommission preist ein Freihandelsabkommen mit den USA in den höchsten Tönen und mit verlockenden Zahlen an. Kommissionspräsident José Manuel Barroso glaubt, das europäische Bruttoinlandsprodukt werde dadurch ein halbes Prozent zulegen. "Das bedeutet zig Milliarden Euro im Jahr und Zehntausende neue Arbeitsplätze" - Musik in den Ohren der rezessionsgeplagten europäischen Öffentlichkeit. Und Unternehmer und Politiker werden eine weitere Botschaft von Handelskommissar Karel De Gucht gern hören: "Längerfristig können wir zusätzliche Gewinne durch den Produktivitätszuwachs erwarten, den eine Marktöffnung begleitet, und kurzfristig mehr Vertrauen der Wirtschaft, weil wir die Gefahr des Protektionismus verringern." Die Brüsseler Dependance des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hofft mit einem Abkommen auf ein "kostenloses Konjunkturprogramm": "Angesichts leerer Kassen in Europa und den USA gibt es kaum Möglichkeiten, durch Staatsausgaben die Konjunktur anzukurbeln. Für beide Seiten ist es deshalb wichtig, Fortschritte beim Freihandel zu erzielen". Gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft werde davon profitieren.

Die Internet-Datenaffäre überschattet die Beziehungen

Rein wirtschaftlich scheint also alles für ein solches Handelsabkommen zu sprechen. Das meint auch André Sapir von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel-Institut. Im Gespräch mit der Deutschen Welle bezweifelt Sapir allerdings die optimistischen Zahlen der Kommission. Und selbst wenn diese realistisch seien, "sie werden niemals ausreichen, um unsere Wachstums- oder Beschäftigungsprobleme zu lösen." Sehr skeptisch sind vor allem Verbraucherschützer und die Grünen im Europaparlament. Der französische Grüne Yannick Jadot warnt vor künftigen Importen: "Wir wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, keine Hormonrinder und kein mit Chlor desinfiziertes Fleisch." Tatsächlich gehen die Vorstellungen gerade über Lebensmittelsicherheit dies- und jenseits des Atlantiks weit auseinander. Das gleiche gilt für den Datenschutz. Jüngste Berichte, US-Sicherheitsbehörden hätten massenhaft persönliche Internet-Daten europäischer Bürger abgegriffen, haben in Europa einen Schock ausgelöst. Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, sprach vor wenigen Tagen von verlorenem Vertrauen: "Wir brauchen Garantien beim Datenschutz. Wir können Datenschutz nicht für ein Abkommen mit den USA opfern."

Menschenschlange vor spanischem Arbeitsamt (Foto: picture-alliance/dpa)
Das Abkommen dürfte kaum ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit in der EU seinBild: picture-alliance/dpa

Frankreich befürchtet einen kulturellen Ausverkauf

Von ganz anderen möglichen Opfern sprach vor kurzem in Brüssel eine Gruppe von französischsprachigen Künstlern: Regisseure, Schauspieler und Filmemacher warnten vor einem Ausverkauf an Hollywood, wenn die europäische Kultur nicht durch öffentliche Subventionen geschützt werde. Die französische Schauspielerin Bérénice Bejo war 2012 in dem mit fünf Oscars ausgezeichneten französischen Schwarzweiß-Streifen "The Artist" zu sehen. Sie erzählte von US-Regisseuren, die gern auch so einen Film gedreht hätten, aber dafür keinen Finanzier fänden - im Gegensatz zu Frankreich, wo der Staat hilft. "Ich habe Angst", so Bejo, "dass solche kleinen Filme verschwinden". Und der rumänische Filmemacher Radu Mihaileanu pflichtete ihr bei: Über Kulturgüter könne man nicht wie über Autos verhandeln. "Wir lieben ein Europa der geistigen Vielfalt. Das ist unser großer Reichtum. Wir werden nicht nachlassen, dafür zu kämpfen."

Auch die USA haben ihre sensiblen Bereiche

Die französische Regierung wollte den Kulturbereich ganz aus den Verhandlungen ausklammern und hatte sogar mit ihrem Veto gedroht. Dabei hat niemand einen Kulturverlust zu befürchten, meint Vital Moreira, Berichterstatter des Europaparlaments für die Verhandlungen: "Die kulturelle Vielfalt steht nicht zur Disposition. Sie steht im EU-Vertrag." Dennoch wird es Agenturberichten aus Luxemburg zufolge bei den jetzt anstehenden Verhandlungen zunächst nicht um die Bereiche Kultur, Filmförderung und Internet gehen. André Sapir vom Bruegel-Institut unterstreicht, auch die Amerikaner hätten ihre empfindlichen Bereiche, die sie schützen wollten. Am Ende würden ebenso wie der audiovisuelle Bereich auch Finanzdienstleistungen und Hafendienste ausgeklammert werden.

Schauspielerin Bejo in dem Film "The Artist" (Foto: Delphi Filmverleih/dapd)
Die französische Schauspielerin Bérénice Bejo hat Angst vor dem Ende des künstlerisch anspruchsvollen FilmsBild: Delphi Filmverleih/dapd

Niemand redet über China

Was kann ein transatlantisches Freihandelsabkommen aber überhaupt leisten, wenn es später solche Einschränkungen gibt und selbst für die Beschäftigung kaum etwas herausspringt? Sapir glaubt, "bestenfalls könnte eine Art transatlantischer Binnenmarkt entstehen." Doch selbst das sei "zu ehrgeizig, um realistisch zu sein". Realistisch seien ein Abbau oder eine völlige Abschaffung von Einfuhrzöllen auf Industriegüter und vielleicht manche technische Standardisierung und gemeinsame Regulierung etwa im Bankenbereich. Doch über einen wichtigen Aspekt werde kaum öffentlich gesprochen, sagt Sapir: "Ich glaube, eigentlich geht's um China und darum, an China eine Botschaft zu senden: 'Wir sind immer noch sehr, sehr wichtig.'" Das hält der Wirtschaftswissenschaftler allerdings für rückwärtsgewandt. Besser wäre es in seinen Augen, die EU und die USA würden zusammen darangehen, die blockierten Welthandelsgespräche wiederzubeleben, und dabei versuchen, China, Indien, Brasilien und andere einzubinden. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Jetzt muss sich aber erst einmal in den Verhandlungen herausstellen, wieviel vom gemeinsamen Willen bei Europäern und Amerikanern übrigbleibt.