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Mini-Finanzgipfel

Das Interview führte Ruth Bender29. Januar 2008

Merkel, Brown und Co. treffen sich in London, um Wege aus der Finanzkrise auszuloten. Etwas zu spät, meint Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Interview.

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Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) (Quelle: HWWI)
Thomas Straubhaar sieht "keinen Grund zur Panik" für die deutsche WirtschaftBild: 2007 HWWI GmbH

DW-WORLD.DE: Immer häufiger hört man von der Panik an den Finanzmärkten und von Banken, die in der Krise stecken. Wie dramatisch ist die Situation wirklich?

Thomas Straubhaar: Für die Finanzmärkte ist die Situation sicher sehr dramatisch. Alles in allem sind in wenigen Tagen Buchwerte in Höhe mehrerer Milliarden verloren gegangen, und das hat natürlich für viele Beteiligte enorme Rückwirkungen. Für die reale Wirtschaft sind wir aber bis jetzt guter Hoffnung, dass sich dieses Platzen der Börsenkurse, diese Finanz- und Immobilienkrise der USA in Deutschland vergleichsweise wenig stark ausgewirkt hat. Finanzmärkte funktionieren eben mit einer anderen Rhythmik als reale Güter-, Handels-, und Faktormärkte und die Kursentwicklung auf Finanzmärkten ist eine Sache, die reale Konjunkturentwicklung auf realen Märkten eine andere.

Nun reden Politiker immer häufiger von Krisenlösungen und Maßnahmen zur Krisenverhinderung. Europäische Regierungschefs treffen sich, um über die Entwicklung der Finanzmärkte zu beraten. Können die Länder gemeinsam die Sitution tatsächlich verbessern?

Solche Treffen haben auf jeden Fall einen hohen Symbolgehalt, weil dadurch die Nachricht verbreitet wird, dass sich die Politik des Problems bewusst ist, sich um die Entwicklungen an den Finanzmärkten sorgt und auch kümmert. Für Finanzmärkte sind solche Treffen nahezu belanglos. Die Finanzmärkte ticken nach eigenen Gesetzmäßigkeiten und die sind viel hektischer, viel kurzatmiger, und stark von nackten ökonomischen Erwartungen geprägt. Da kommen alle politischen Reaktionen viel zu spät, noch dazu wenn, sie unpräzise sind. Die Eigendynamik der Märkte ist (mit der Krise) losgetreten, und bis sich die letzten Wellen dieses Schocks ausgeebbt haben, wird die Politik diese Eigendynamik wenig beeinflussen können.

Sie kann sich höchstens für eine nächste Phase überlegen, in welcher Weise Regulierungen verändert, oder besser angewendet werden müssen. Das ist sicher richtig und wichtig. Für die reale Konjunkturentwicklung ist es aber weniger wichtig, was im Kreis der Spitzenpolitiker besprochen wird, als was im politischen Tagesgeschäft davon übrig bleibt. Und da bleibt zu hoffen, dass nicht mit panischen Schnellentschlüssen versucht wird, auf etwas Einfluss zu nehmen, was die Politik letztlich so kurzfristig nicht beeinflussen kann. Hektischer Reaktionismus ist weniger notwenig als sich zu überlegen, welche grundsätzlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen ein weltweit zusammenhängender Finanzmarkt braucht.


Welche Rahmenbedingung sollte es denn geben, die es heute noch nicht gibt?

Erstens ist klar geworden, dass Transparenz hergestellt werden muss. Man ist sich darüber bewusst geworden, dass ein untransparentes Risikomanagement zu großen Problemen führen kann. Alle Beteiligten fordern nun so etwas wie Informationspflichten. Zweitens ist klar geworden, dass die Rechte von Aktionären gestärkt werden müssen, dass auch sie einen klaren Einblick in die Tätigkeiten der Vorstände bekommen sollten. Die Aufsichtsräte sind eigentlich dafür verantwortlich, diese Rechte zu sichern. Wenn sie dies aber nicht ausreichend tun, dann muss man sich überlegen, wie man garantiert, dass das Eigentum der Aktionäre eben nicht durch das Fehlverhalten einzelner Vorstände geschädigt wird.

Sollten Länder also gemeinsam diese Rahmenbedingungen festlegen?

Eine der ganz wichtigen Funktionen dieser Mehrländertreffen ist, dass durchaus überprüft und ausgetauscht werden kann, wie Themen in anderen Ländern behandelt und gelöst werden. Der Lerneffekt durch das Experiment anderer Länder ist also ein ganz wichtiger und positiver Effekt. Dann stellt sich die Frage, ob einzelne Länder handlungsfähig sind, oder es einer internationalen Absprache bedarf. Man sagt ja, 'global players need global rules'. Es ist bei solchen Treffen wichtig, zu besprechen, in wieweit ein weltweiter Rahmen für die globalisierten Finanzmärkte geschaffen werden soll. Das ist ein Abwägungsprozess, denn mit weltweiten Regelungen verhindert man auch den Wettbewerb nationaler Regelungen, der Experimente und Verbesserungen fördern kann.

Gibt es denn ein Land das im Moment die besten Vorschläge hat?

Nein, das kann ich so nicht sagen. Ich denke, alle Länder waren faktisch gleichmäßig von der Krise betroffen, auch wenn der Kern der Krise in den USA liegt. Aber auch aus den Fehlern der USA kann man in Deutschland Lehren ziehen, gerade was die Verbriefung der Risiken und die Übertragung von verbrieften Risiken von einem Institut auf das andere geht. Ich denke, es ist unsere Aufgabe, aus den Fehlern anderer Länder zu lernen.

Sollten die Banken denn mehr Selbstverantwortung übernehmen um auch ihre Lehren aus der Krise zu ziehen?

Also ich denke, dass viele Banken durch enorme Abschreibungen die eigenen Fehler haben bezahlen müssen. Das ging substanziell an Eigenkapitalbestände. Bisher sind in Kontinentaleuropa im Wesentlichen diejenigen, die an den Börsengeschäften beteiligt waren, auch betroffen von den Kosten, und es gab keine Externalisierung der Kosten. Die Aktionäre der Banken haben geblutet und nicht die öffentliche Hand. Wichtig scheint mir, dass es auch dabei bleibt. Es gehört zu einer freien Marktwirtschaft, dass eben nicht nur die Gewinne, sondern auch die Verluste privatisiert und nicht sozialisiert werden. Genau aus diesem Grund halte ich Hilfspakete für Aktionäre für völlig verfehlt. Auch mit Zinssenkungsprogrammen zur Hilfe zu kommen, halte ich für verfehlt, denn Zinssenkungen bedeuten höhere Inflationserwartungen. Damit zahlen dann auch unbeteiligte Dritte, nämlich wir alle, die Kosten einzelner Fehlverhalten.

Wie sind ihre Einschätzungen für 2008?

Da stellt sich immer die Frage des Referenzrahmens. Wenn wir als Referenzgröße die letzen beiden Jahre nehmen, dann haben wir dieses Jahr sicher ein deutlich schlechteres Jahr. Wenn wir die ersten fünf Jahre dieses Jahrzehnts als Bezugsrahmen nehmen, dann haben wir sicher ein besseres vor uns. Die Beschäftigungsentwicklung wird aber sicher auch in diesem Jahr positiv laufen. Es wird einen Stellenauf- und nicht Abbau geben. Also wird die Stimmung in Deutschland auch besser sein als sie heute zu sein scheint. Das Wirtschaftswachstum ist mit 1,5-2 Prozent immer noch in einem guten Durchschnitt, wenn auch etwas verlangsamt. Ich würde von einem Jahr des Umbruchs sprechen. Nach zwei guten Jahren stellt sich 2008 die Frage, wohin geht es mittelfristig. Es gibt keinen Grund zur Panik. Aber es ist jetzt wichtig, die richtigen Signale auszusenden, zum Beispiel mit der Vorbereitung von Steuer- und Abgabensenkungsprogrammen für 2009.

Thomas Straubhaar lehrt Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg und ist Direktor des wirtschaftsliberal ausgerichteten Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.