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D-Mark Euro

30. Dezember 2011

Vor zehn Jahren endete die Geschichte der D-Mark. Der Euro wurde als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Viele Deutsche trauern ihr bis heute nach - und machen mit der alten Währung noch Geschäfte.

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D-Mark-Münzen in einer Hand (Foto: Kiesel/DW)
Milliarden D-Mark sind noch da: Die Münzen haben in den letzten zehn Jahren Patina bekommenBild: DW

"Sie können auch mit D-Mark bezahlen!" So verspricht es der Prospekt eines Kurzwarenhändlers. Das ist eine irritierende Botschaft zehn Jahre nach der Einführung des Euro. Sein Stand findet sich auf einem Parkplatz im Berliner Bezirk Lichtenberg: zwei Tischreihen mit Nähgarn, Büstenhaltern, Batterien und Gummibändern. "Das ist alles andere als ein Werbegag", sagt der kräftig gebaute Verkäufer, der sich Willi Winzig nennt – ein Künstlername, den er sich aus einer 70er-Jahre-Komödie mit Heinz Erhard geborgt hat. "Das Geld liegt bei den Leuten zu Hause rum und die wissen oft gar nicht, was sie damit anfangen sollen." Das sei gut verdientes Geld, betont er und hebt ein kleines Plastiktütchen mit Münzen in die Höhe.

Werbung für Geschäfte mit D-Mark (Foto: DW/Kiesel)
D-Mark Geschäfte lohnen sich immer noch - ein Werbeprospekt lockt mit der alten WährungBild: DW

Das Potenzial für D-Mark-Geschäfte ist wirklich nicht zu verachten. Die D-Mark ist zehn Jahre tot - aber noch immer kaufkräftig. 13,3 Milliarden sind noch vorhanden, je etwa zur Hälfte in Banknoten und in Münzen. Insgesamt, darüber gibt es genaue Statistiken, sind es 4,8 Prozent des Bargeldumlaufs von 2000. Nicht nur der Kleinhändler in Lichtenberg, auch große Unternehmen möchten einen Teil davon in ihren Kassen haben. Die 48.000 Münzfernsprecher der Deutschen Telekom akzeptieren die Zombiwährung anstandslos und in den Bekleidungskaufhäusern von C&A sind die elektronischen Registrierkassen mit einem DM-Menüpunkt versehen – bis zu 150.000 Mark im Monat werden für Slips, Socken und Oberbekleidung ausgegeben.

Vergessene Schätze

Bei Willi Winzig laufen meist kleinere Beträge ein. Eine Frau mit Kunstpelzbesatz am Wintermantel legt eine Packung mit Filzgleitern, einen Schrittzähler und Flicken zum Aufbügeln auf den Tisch des Verkäufers. 11,25 Euro rechnet er aus. Da schiebt die Kundin einen weißen Umschlag über die Tischplatte. Winzig leert den Inhalt aus: Dunkel gewordene Ein- und Zweipfennigstücke, Zehner mit Patina und zwei silbrige Fünfziger mit der knieenden Baumpflanzerin drauf. "Die habe ich aus einer alten Sparbüchse meiner Tochter", erklärt die Kundin, "aber das hat sie mir erlaubt." Es sind 3,60 DM, die mit einem Kurs von 2,1 verrechnet werden. "Das ist ein bisschen mehr als der offizielle Kurs", sagt der Händler, "aber wir müssen damit auch zur Bundesbank fahren und uns dort anstellen." Für die Kundin ist das in Ordnung, sie zahlt 1,70 Euro weniger. "Das war schon gutes Geld, die D-Mark, aber ich bin froh, dass ich es jetzt los bin!", sagt sie und packt zusammen.

D-Mark Banknoten (Foto: Bundesbank)
Davon gibts noch reichlich: D-Mark-BanknotenBild: Bundesbank

Ein halbe Stunde hätte sie bestimmt gebraucht bis zur Berliner Bundesbankfiliale. Dort gibt es den Euro für 1,95 D-Mark. In der marmorgefließten Schalterhalle warten im Schnitt 85 Kunden am Tag darauf, ihr altes Geld in Euro zu tauschen. Fast neun Millionen haben sie bisher hierher gebracht. Da ist der Kunststudent, der einen Fünfzigmarkschein mit dem Porträt Balthasar Neumanns von seiner Oma geschenkt bekommen hat und das Ehepaar aus Brandenburg, dass beim Aufräumen im Wohnzimmerschrank ein ganzes Säckchen Münzen zusammengeklaubt hat. Bei Wohnungsauflösungen, in langen, ungetragenen Sakkos und staubigen Büchern wartet das alte Geld darauf, wieder aktiv zu werden. Die D-Mark galt immer als krisenfeste Währung und es passt dazu, dass sie auch noch zehn Jahre nach Einführung des Euro ihren Wert hat.

Respekt vor der harten Mark

Bundesbank-Mitarbeiter Albrecht Sommer (Foto: DW/Kiesel)
Bundesbank-Mitarbeiter Albrecht SommerBild: DW

Unbefristeter Umtausch ist keine Selbstverständlichkeit im Euroraum: Bei Münzen machen das nur fünf Länder so, bei Scheinen immerhin neun. Bei einigen Ländern läuft die Umtauschfrist in den nächsten Jahren aus. Bei den Banknoten sind das als nächstes Frankreich und Finnland. Wer – ganz gegen den derzeitigen Griechenland-kritischen Diskurs - Drachmen-Banknoten gehortet hat, sollte sie bis zum 1. März 2012 einwechseln.

Deutschland pflegt einen überaus respektvollen Umgang mit seiner alten Landeswährung."Wir machen das auch deswegen", erklärt Albrecht Sommer von der Berliner Bundesbankfiliale, "weil es so große D-Mark-Bestände außerhalb Deutschlands gibt." Die alte Währung sei schließlich in einigen Ländern des Balkan so etwas wie eine Zweitwährung gewesen und die Bundesbank möchte den ausländischen Besitzern die Türen offen halten. "Aber das hängt auch damit zusammen", fügt Sommer hinzu, "dass die Deutschen ihre D-Mark so liebgewonnen hatten." Doch bei aller Liebe, daran lässt Sommer keinen Zweifel, die Zeit der D-Mark ist vorbei. "Das Geld, das zu uns kommt wird geschreddert."

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Henrik Böhme