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Ländliche Entwicklungsprogramme in der Kritik

Helle Jeppesen23. Dezember 2014

Wie viel Nähe zur Industrie verträgt Entwicklungspolitik? Zwei Programme zur ländlichen Entwicklung, gefördert vom Entwicklungsministerium in Berlin, geraten zunehmend in die Kritik.

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Bild: DW/S. Duckstein

Nicht-Regierungsorganisationen kritisieren vor allem, dass es in der deutschen Initiative "German Food Partnership" und im G-8-Programm eher um die Förderung der Agrar- und Chemiewirtschaft geht, als um die Unterstützung von Kleinbauern in Entwicklungsländern. Mit ihrer Kampagne "Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne" machen die entwicklungspolitischen Organisationen Inkota-Netzwerk, FIAN und Oxfam mobil gegen die Öffentlich-privaten Partnerschaften:

"Das Grundproblem ist, dass Menschen, die unter Armut und Hunger leiden, nicht im Mittelpunkt stehen", so Oxfam-Sprecherin Marita Wiggerthale. Die öffentlich geförderten Projekte helfen vor allem der industriellen Landwirtschaft, die weiterhin auf den Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und hochgezüchteten Saatgut-Sorten setzt. "Last but not least finden wir es problematisch, dass das Entwicklungsministerium damit eben diese Agrarkonzerne ganz konkret dabei unterstützt, sich neue Märkte zu erschließen, um ihre Profite zu steigern", fasst die Ernährungs- und Globalisierungsexpertin die Erkenntnisse zusammen, die auch in einem NGO-Bericht nachzulesen sind.

Branchenriesen in öffentlichen Projekten

Tatsächlich liest sich die Liste der privaten Partner der Projekte "German Food Partnership" und "Neue Allianz für Ernährungssicherung" der G-8 wie ein "Who's Who" der internationalen Branchenriesen. Agrar-, Chemie- und Saatgutkonzerne wie Bayer, BASF, Syngenta, Monsanto oder Kunstdüngergigant Yara sollen in die ländliche Entwicklung investieren. In lokalen Projekten sollen sie zum Beispiel Kleinbauern beraten und über Düngungs-, Pflanzenschutz- und Marketing-Maßnahmen informieren.

"Zusammen mit der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft können wir vor Ort mehr erreichen", schreibt auf DW-Anfrage eine Sprecherin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ. Ein Interview zu unseren Fragen mochte das Ministerium nicht geben.

"Mehr Ausbildung für Kleinbäuerinnen und –bauern, mehr gesunde Nahrungsmittel für eine wachsende Bevölkerung und gleichzeitig die Einführung von ökologisch nachhaltigeren Produktionsformen" würden durch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft erreicht, so die Sprecherin. Bereits in den Leitlinien zum "German Food Partnership" ist von einer Professionalisierung der Landwirtschaft die Rede. "Leitbild ist der Agripreneur, also der landwirtschaftliche Unternehmer", heißt es.

Guinea-Bissau Reisanbau Landwirtschaft Frauen
Das BMZ möchte mit den Entwicklungsprojekten aus Kleinbauern Agripreneure machenBild: DW/F. Tchumá Camará

Aus Bauern Unternehmer machen

Auch Bayer CropScience mit weltweit 22.400 Mitarbeiter möchte aus Kleinbauern "Agripreneure" machen, betonte Vorstandschef Liam Condon. In rund 400 "Musterdörfern" in Indien wolle Bayer CropScience das Konzept von einer "grüneren" Revolution in der Landwirtschaft unter Beweis stellen – zum Beispiel beim Reisanbau mit "Hybridsaatgut, neuen Pflanzenschutzmitteln, Technologien und Schulungen sowie klimaintelligente Lösungen für einen geringeren Wasserverbrauch und Methanausstoß", heißt es auf der Homepage von Bayer CropScience. Der weltweit mit größte Konzern für Agrochemie nimmt zusammen mit Unternehmen wie BASF, dem US-Maschinenhersteller AGCO oder auch K+S AG, einer der größten Produzenten von Ausgangsstoffen für Düngemittel, am "German Food Partnership" teil. Allen Partnern ist gemeinsam, dass sie vor allem Produkte für die industrielle Landwirtschaft anbieten und nicht unbedingt für einen kleinbäuerlichen Mischanbau.

Auf die Bedürfnisse von Kleinbauern eingestellt

Das heißt jedoch nicht, so Pressesprecher Utz Klages von Bayer CropScience auf Anfrage der DW, dass das Unternehmen nicht auf Kleinbauern eingestellt sei. "Selbstverständlich bieten wir auch in diesen Ländern kundenspezifische Lösungen, beispielsweise moderne Pflanzenschutzmittel in Kleinpackungen".

Auch Bayer CropScience verzichtet auf ein Interview und nimmt zu den Fragen schriftlich Stellung. "Ziel der Projekte ist es, den Kleinbauern Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen, indem sie die nicht für den Eigenbedarf benötigte Ernte zu fairen Preisen verkaufen können", so der Pressesprecher. Auch die kleinen Familienbetriebe würden von der Forschung und den Erfahrungen des Global Players profitieren. "Als internationales Unternehmen haben wir lokale Experten mit entsprechender Erfahrung, und wir haben den langen Atem für Projekte mit langer Laufzeit."

Afrika Bauer Symbolbild German food partnership
Kleinbauern als "Rückgrat für wirtschaftliche Entwicklung"Bild: Imago

Vor allem verspricht sich das Unternehmen aber neue Märkte. "Kleinbauern sind das Rückgrat für die wirtschaftliche Entwicklung in ihren Ländern", schreibt Bayer CropScience und fügt hinzu: "Sie sind Abnehmer für unsere Produkte und Serviceleistungen, potentielle Kunden, Kooperations- und Geschäftspartner, zukünftige Exporteure und internationale Händler."

Neue Abhängigkeiten

Auch das BMZ sieht längerfristig eine Win-Win-Situation für allen Beteiligten und betont in der Stellungnahme: "Eine finanzielle Förderung der Unternehmen findet explizit nicht statt".

Das mag sein, so Marita Wiggerthale von Oxfam. Sie lehnt nicht generell Public Private Partnerships, kurz PPPs, ab. Doch bei den beiden konkreten Projekten, "German Food Partnership" und der G-8-Initiative "Neue Allianz für Ernährungssicherung" sieht sie eher neue Abhängigkeiten der Kleinbauern. Deshalb fordern Oxfam, FIAN und das Inkota-Netzwerk seit einem Jahr, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Verträge mit den Unternehmen veröffentlicht. Im November wurden dem Ministerium mehr als 65.000 Unterschriften überreicht, die die Forderungen der Kampagne “Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“ unterstützen. Das Ministerium hat zugesagt, die Verträge demnächst offen zu legen.