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Zu wenig Solidarität der Kulturszene mit Israel?

Philipp Jedicke
13. Oktober 2023

Während in Hollywood hunderte Filmschaffende ihre Solidarität mit Israel bekundet haben, halten sich nicht nur deutsche Kulturinstitutionen auffallend zurück. Dies führt nun zu Kritik.

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Ein Mann, eingehüllt in eine israelische Fahne, blickt auf brennende Kerzen
Menschen in Berlin gedenken der Opfer des Terroranschlags in IsraelBild: Annette Riedl/picture alliance/dpa

Direkt nach den Terrorangriffen der radikalislamischen Hamas auf Israel hatten zahlreiche Hollywoodstars und andere Kulturschaffende in den USA ihre Solidarität mit dem Land unter dem Hashtag #standwithisrael bekundet. Nun ist ein offener Brief erschienen, den 700 Hollywoodstars unterschrieben haben, darunter die Schauspielerinnen Gal Gadot und Jamie Lee Curtis, ihre Kollegen  Michael Douglas und Chris Pine und die Comedians Jerry Seinfeld und Amy Schumer.

In dem Brief, den die pro-israelische Organisation Creative Community For Peace initiiert hat, verurteilen die Hollywoodstars den Angriff der Hamas als "barbarische Terrorakte" und rufen die Terrorgruppe zur Freilassung ihrer israelischen Geiseln auf. Und sie warnen ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Unterhaltungsindustrie auch vor Fehlinformationen in den sozialen Medien: "Während Israel in den kommenden Tagen und Wochen die notwendigen Schritte unternimmt, um seine Bürger zu verteidigen, werden die sozialen Medien von einer orchestrierten Fehlinformationskampagne unter der Führung des Iran überschwemmt. Wir fordern alle auf, sich an die schrecklichen Bilder zu erinnern, die aus Israel kamen, und ihre Propaganda nicht zu verstärken oder darauf hereinzufallen."

Zurückhaltung bei Kulturinstitutionen

In mehreren deutschen Städten, unter anderem in Berlin, München und Rostock, hatten in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen auf Kundgebungen ihre Solidarität mit Israel demonstriert. Doch die Kultureinrichtungen im Land blieben auffallend zurückhaltend. So gab der Deutsche Kulturrat erst am 11. Oktober, vier Tage nach den Angriffen, ein Statement heraus, in dem er sich "entschieden gegen jede Form des Antisemitismus" ausspricht und die Kultureinrichtungen in Deutschland auffordert, ihre Solidarität mit Israel deutlich zu zeigen.

An dieser Aufforderung lässt sich vielleicht ablesen, was Simon Strauß in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (F.A.Z.) anprangert: "Wo sind die israelischen Flaggen? Wo sind die Banner, die Plakate, die Transparente?"

In Anspielung an die frühen und langlebigen Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine macht Strauß in seinem Artikel sehr deutlich, was er eigentlich von Deutschland erwartet: mehr Solidarität mit Israel. Schließlich ist die Sicherheit Israels für Deutschland Staatsräson. So steht es im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung, und so hat es  Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag (12.10.2023) in einer Regierungserklärung bekräftigt.

Hunderte Menschen mit israelischen Flaggen und Schildern mit der Aufschrift "Für Israel"
Am Tag nach dem Terroranschlag der Hamas gab es eine Solidaritätsdemo in BerlinBild: Michael Kuenne/PRESSCOV via ZUMA Press/picture alliance

"Ohrenbetäubende Stille"

Der Autor und Publizist Sascha Lobo elaboriert in seiner Kolumne bei "Spiegel Online" vom 11.10. mit der Überschrift "Warum schweigst du noch?" die vielfältigen Gründe für das hartnäckige Schweigen vieler Menschen, die sich sonst regelmäßig in den sozialen Medien zu Missständen äußern. Er schließt mit den Worten: "Wer heute in Deutschland lebt, trägt zwar keine Schuld am Holocaust. Aber alle hier Lebenden tragen die Verantwortung, daraus zu lernen. Und das kann auf keinen Fall bedeuten, zu antisemitischem Terror zu schweigen."

Das Schweigen scheint nicht nur ein deutsches Problem zu sein. Auf der Seite www.artnet.com, einer Fach-Website des internationalen Kunsthandels, schreibt die jüdische Redakteurin Katya Kazakina von einer "ohrenbetäubenden Stille" in der Kunstwelt - gerade von renommierten und alteingesessenen Galerien und Museen, die in der Vergangenheit oft Flagge gezeigt hätten, wenn es um die Verteidigung von Menschenrechten ging - so auch im Fall des Ukraine-Krieges, von Black Lives Matter oder LGBTQ+-Rechten.

Kopfzerbrechen über die Gründe des Schweigens

"In New York, der Heimat der größten jüdischen Bevölkerung außerhalb Israels, hat bisher kein einziges großes Museum seine offizielle Unterstützung für den jüdischen Staat und damit auch für das jüdische Volk zum Ausdruck gebracht", schrieb Kazakina am 12. Oktober. "Keine einzige große Galerie hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Botschaft des Mitgefühls auszusenden und öffentlich Stellung gegen das Abschlachten jüdischer Zivilisten zu beziehen." Und sie ergänzt: "Als jüdische Frau, die seit mehr als 17 Jahren über Kunst, Künstler, Galerien, Museen, Auktionshäuser, Stiftungen, Messen und Gerichtsverfahren schreibt, empfinde ich eine Mischung aus Schmerz, Enttäuschung, Wut und Angst. (...) Wo ist die Solidarität? Wo ist die Empathie? Wo ist der moralische Kompass?"

Sowohl Strauß als auch Lobo und Kazakina suchen in ihren Artikeln nach Gründen, warum bisher so wenig Solidarität mit Israel gezeigt wird. Ist es die Angst davor, angesichts des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen als "Kolonialist" dazustehen? Oder sind es am Ende doch antisemitische Tendenzen, die zu dieser "ohrenbetäubenden Stille" führen? Vielleicht ist es auch die Angst vor islamistischem Terror. So hat zum Beispiel die Organisatorin der Solidaritätsdemo für Israel in München Morddrohungen erhalten. Die Gründe für das Schweigen mögen vielfältig sein, das Ergebnis ist das Gleiche: Menschen jüdischen Glaubens, zutiefst geschockt durch die aktuellen Ereignisse in Israel, werden dadurch zusätzlich verunsichert.