Zur Geschichte der deutschen Vermittler-Rolle im Nahen Osten
24. Juli 2006Vier Jahre waren seit dem israelischen Einmarsch in den Libanon 1982 bereits vergangen, da geriet am 16. Oktober 1986 ein israelischer Kampfbomber vom Typ "Phantom" über dem Südlibanon in Schwierigkeiten. Die Besatzung musste abspringen. In einer filmreifen Rettungsaktion gelang es den Israelis, den Piloten zu retten. Der Navigator - Ron Arad - aber war nicht zu finden. Seit 20 Jahren halten sich Gerüchte, Arad sei von schiitischen Milizionären an iranische Stellen weiter gereicht worden. Exiliraner wollen Spuren von ihm in iranischen Gefängnissen gefunden haben. Der Fall wird aber wohl nie aufgeklärt werden.
Der Fall Arad war aber eine der ersten Gelegenheiten für deutsche Stellen, sich vermittelnd einzuschalten. Dem damaligen Geheimdienst-Koordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, kam dabei zu Gute, was man ihm sonst in Israel eigentlich eher übel genommen hätte - gute Beziehungen nach Teheran und dem dortigen Geheimdienst. Auf Bitten Jerusalems begann er, sich diskret um den Fall zu kümmern.
Erste Erfolge als Vermittler
Er wurde zwar nicht fündig, aber immerhin entwickelte Schmidbauer dabei so gute Beziehungen zu allen betroffenen Seiten, dass ihm 1996 ein großer Austausch gelang: Für die Überführung der Gebeine zweier zehn Jahre zuvor - 1986 - gefallener israelischer Soldaten und für die Freilassung mehrerer Mitglieder der von Israel unterstützten "Südlibanesischen Armee" (SLA) übergab Israel die Leichen von 123 Hisbollah-Kämpfern und ließ 45 libanesische Gefangene frei.
Die Basis war gelegt für deutsche Vermittlung zwischen Israel und dem Libanon - genauer gesagt zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah. Eine politische Vermittlung zwischen den verfeindeten Seiten, besonders zwischen Israel und den Palästinensern, wäre für die deutsche Diplomatie "eine Nummer zu groß" gewesen. Aber technische Geheimverhandlungen mit dem Ziel, Gefangene auszutauschen, erwiesen sich als deutsche Spezialität.
Nützlich waren diese Kontakte auch 1992 bei der Freilassung zweier deutscher Entwicklungshelfer, die fast drei Jahre lang Gefangene eines südlibanesischen Familienclans gewesen waren. Sieben Jahre später schlugen Vermittlungsversuche fehl: 1999 hatte man umsonst versucht, für die Freilassung von fünf Hisbollah-Kämpfern durch Israel und ihre Überstellung nach Deutschland Informationen über den Verbleib des vermissten Flugnavigators Arad zu bekommen.
Ein ewiger Handel mit Geiseln
Die nächste Gelegenheit ergab sich im November 2003: Mit nur einer Stimme Mehrheit war die israelische Regierung bereit, wenig später rund 400 palästinensische und libanesische Gefangene freizulassen. Im Gegenzug wollte man die Gebeine von drei Soldaten zurückbekommen und die Freilassung eines zwielichtigen israelischen Geschäftsmannes erwirken, der von der Hisbollah festgehalten wurde. Unter den libanesischen Gefangenen, die hierbei freikam, waren auch Mustafa Dirani und Sheikh Abdel Karim Obeid. Dirani soll der Verantwortliche für die Gefangennahme und das Verschwinden von Ron Arad gewesen sein. Obeid war ein angesehener schiitischer Geistlicher im Südlibanon. Beide waren von Israel gezielt entführt worden - in der Hoffnung, sie gegen Ron Arad austauschen zu können. Ohne es offiziell einzugestehen: Jerusalem hatte diese Hoffnung offenbar aufgegeben und stimmte deswegen ihrer Freilassung zu.
Steinmeier mit Erfahrungen im Gefangenenaustausch
Der Austausch wurde 2004 vom damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier, besonders aber dem damaligen Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau ermöglicht. Der eine ist heute Bundesaußenminister, der andere Chef des Auslandsgeheimdienstes BND. Beide kennen sich deswegen aus im Geschäft des Gefangenaustausches. Ob sie aber anknüpfen können an frühere Erfolge, muss sich noch erweisen: Besonders zu Zeiten der offenen Kriegshandlungen dürfte ein solcher Austausch erheblich schwerer einzufädeln sein als bei den früheren Gelegenheiten. Und es versteht sich, dass man über wirkliche und mögliche Kontakte Stillschweigen bewahrt.
Ganz im Gegensatz zur Nahostdiplomatie besonders von Steinmeier-Vorgänger Joschka Fischer: Der frühere Außenminister besuchte zwar kein Krisengebiet der Welt öfter als den Nahen Osten und ermahnte dabei Israelis und Palästinenser gleichermaßen. Beide bedankten sich artig für seine Freundschaft und setzten ihren Konflikt fort, kaum dass Fischer den Rücken gekehrt hatte. Immerhin aber ist es Fischer gelungen, die Bundesrepublik in eine Position zu bringen, in der sie offen mit Israelis, Palästinensern und auch der libanesischen Hisbollah reden kann, ohne den Argwohn der Gegenseite zu wecken. Von diesem Punkt bis zu einer aktiven Vermittlung aber ist es noch ein weiter Weg, auf dem viele bereits gescheitert sind.