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"Zusammenstehen - Gesicht zeigen"

Bettina Marx13. Januar 2015

Unter diesem Motto haben Tausende in Berlin der Terroropfer von Paris gedacht. Sie versammelten sich am Brandenburger Tor, das in den französischen Farben angestrahlt wurde.

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Mahnwache für Terroropfer am Brandenburger Tor am 13.01.12014 Foto: REUTERS
Bild: Reuters/Hannibal Hanschke

Es war schon dunkel in Berlin, als die Stimme des Imam auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor ertönte. Auf Arabisch sang er die fünfte Sure des Koran, die von der Friedfertigkeit des Islam spricht. Vor der französischen Botschaft flackerten Hunderte Kerzen in einem Meer aus Blumen und Kränzen, niedergelegt von Bürgern zum Gedenken an die Terroropfer von Paris. Noch während die Mahnwache begann, zu der der Zentralrat der Muslime eingeladen hatte, strömten Tausende Menschen in das Zentrum von Berlin. Sie trugen Plakate und Transparente, auf denen sie die Toten würdigten und die Meinungsfreiheit beschworen. "Ich bin Charlie", stand darauf in Anspielung auf das Satireblatt "Charlie Hebdo", dessen Zeichner vor einer Woche von muslimischen Terroristen ermordet worden waren. Auf einem anderen Schild stand: "Ich bin Jude, ich bin Christ, ich bin Muslim" und "Für Toleranz, gegen Terror". Auch viele Fahnen waren zu sehen, darunter die französische, die amerikanische und die israelische.

Eine demonstratin rätg ein Schild mit der Aufschrift: "Ich bin Muslime - Nicht in meinem Namen." Foto: DPA
Eine muslimische Demonstrantin distanziert sich vom islamistischen Terror.Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Unter den Demonstranten war auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, sichtlich bewegt von den blutigen Geschehnissen in Paris. Er sei entsetzt gewesen, als er von den Anschlägen erfahren habe, sagte er der Deutschen Welle. "Wenn ich mir vorstelle, wie sich das abgespielt hat für die Menschen, die bei einer Redaktionskonferenz saßen oder zum Einkaufen im Supermarkt waren und sich plötzlich einem Attentäter mit Maschinenpistole gegenüber sahen - grauenhaft, ein Horror", sagte er, noch immer geschockt. Die Mahnwache in Berlin sei ein wichtiges Zeichen der Solidarität für all jene, die gefährdet seien und Angst haben müssten. Ähnlich äußerte sich auch der frühere SPD-Vorsitzende Kurt Beck. Ihn habe besonders die furchtbare Brutalität der Attentäter erschüttert. "Die Maßlosigkeit, mit der da religiöser Fanatismus in Gewalt umgemünzt wird, das sprengt einfach jede Vorstellung." Daher sei es ihm ein tiefes Anliegen, sein Mitempfinden zu bekunden.

Gedenken an die Toten

Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor hatten sich unterdessen neben den Vertretern der drei großen monotheistischen Religionen Islam, Christentum und Judentum zahlreiche Politiker eingefunden, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, sein Vorgänger Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit einer Schweigeminute gedachten sie der Opfer der Anschläge von Paris, der Partnerstadt von Berlin, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller betonte. "Wir fühlen mit Ihnen", sagte Müller an den französischen Botschafter Philippe Etienne gewandt. "Wir gedenken der Menschen, die Sie verloren haben."

Berlin Mazyek richtet die Schleife am Kranz zum Gedenken der Terroropfer. Foto: DPA
Aiman Mazyek legt vor der französischen Botschaft einen Kranz zum Gedenken an die Opfer niederBild: T. Schwarz/AFP/Getty Images

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich beeindruckt, dass so viele Menschen seiner Einladung zu der Kundgebung gefolgt waren. "Ich danke Gott für dieses gewaltige Zeichen des Respekts, der Solidarität und Anerkennung. Dadurch machen wir sichtbar: die Terroristen haben nicht gesiegt und Terroristen werden auch in Zukunft nicht siegen", rief er aus. Die Terroristen hätten mit ihrer Tat die "größte Gotteslästerung" begangen, den Islam verraten und seine Prinzipien in den Schmutz gezogen.

Eindringlich mahnten die Vertreter der beiden Kirchen, der katholische Weihbischof Matthias Heinrich und der evangelische Bischof Markus Dröge, die Solidarität der Gläubigen aller Religionen an. "Juden, Christen und Muslime sagen gemeinsam Nein zur Gewalt im Namen des Glaubens", betonte Dröge.

Kritische Worte kamen vom stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer. "Wir dürfen die Augen nicht verschließen", sagte er. "Gerade im Islam gibt es eine immer stärkere Radikalisierung. In Asien, in Afrika, im Nahen Osten verbreiten radikalisierte fanatische Islamisten Angst und Schrecken, ja sogar den Tod." Die ganze Welt, besonders aber die Muslime seien aufgerufen, gegen diesen Terrorismus vorzugehen. Hohe religiöse Würdenträger und Imame müssten ihren Einfluss geltend machen und gegen die radikale Auslegung des Koran vorgehen. Nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland werde die Verunsicherung der jüdischen Bürger größer. "Nehmen Sie unsere Gefühle als Seismographen. Denn wenn Juden bedroht sind, sind wir alle bedroht."

"Wir alle sind Deutschland"

Bundespräsident Joachim Gauck dankte der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland, dass sie zu der Mahnwache aufgerufen habe. Dies sei "ein patriotisches Ja zu dem Land, in dem wir gemeinsam leben, zu unserem Land". Die übergroße Mehrheit der Muslime in Deutschland fühle sich der deutschen Gesellschaft zugehörig und schätze ihre Werte. Deutschland sei durch die Einwanderung vielfältiger geworden, religiös, kulturell und mental. "Diese Vielfalt gehört zu dem, was unser Land erfolgreich, interessant und liebenswert macht." Man solle aber nichts beschönigen, fügte Gauck hinzu. Es gebe in Deutschland manches, "das uns Sorgen macht". Die Feindbilder und Konflikte des Nahen Ostens wirkten bis nach Deutschland hinein. Zur Fremdenfeindlichkeit seien auch fundamentalistische Strömungen getreten. Ihnen müsse man entschlossen entgegen treten. "Unser Gegenentwurf zum Fundamentalismus der islamistischen Gewalttäter heißt: Demokratie, Achtung des Rechts, Respekt voreinander, Achtung der Menschenwürde." Den Terroristen sei es nicht gelungen, die Gesellschaft zu spalten. Im Gegenteil, in den vielen Solidaritätsveranstaltungen und Trauerbekundungen seit den Anschlägen sei deutlich geworden, dass die Gesellschaft zusammenstehe gegen die Gewalt. Den Fanatikern rufe er zu: "Wir schenken euch nicht unsere Angst, Euer Hass ist unser Ansporn." Gauck rief die Menschen dazu auf, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. "Wir alle sind Deutschland", sagte er unter dem Beifall der Zuschauer.

Bundespräsident Gauck spricht bei der Mahnwache für die Terroropfer am Brandenburger Tor Foto: DPA
Bundespräsident Joachim Gauck: "Wir alle sind Deutschland"Bild: picture-alliance/dpa/Maurizio Gambarini/

Das Brandenburger Tor in den Farben der Trikolore

Unter den rund 10.000 Demonstranten, die an der Mahnwache teilnahmen, waren auch viele Muslime. Ein Iraner, der sich als Anhänger des Widerstands gegen das Mullahregime zu erkennen gab, sagte, er kämpfe gegen den Fundamentalismus. "Wir verurteilen diesen barbarischen Akt. Dieses Attentat hat nichts mit dem Islam zu tun. Wir sind für Toleranz und Menschenrechte und gegen Terrorismus."

Viele Teilnehmer waren auch aus anderen Städten nach Berlin gekommen, um ihre Solidarität mit den Opfern von Paris zu bekunden und für die Meinungsfreiheit einzutreten. Manche zeigten Stifte, um an die ermordeten Zeichner der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo"zu erinnern.

Am Ende der Veranstaltung leuchtete das Brandenburger Tor in den Farben blau, weiß und rot, den Farben der französischen Trikolore.