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Im Kino: Helene Hegemanns "Axolotl Overkill"

Jochen Kürten
28. Juni 2017

"Axolotl Overkill", der erste Spielfilm von Helene Hegemann, kommt jetzt in die deutschen Kino. Die Regisseurin hat für die Verfilmung ihres Romans "Axolotl Roadkill" eine eigene Sprache gefunden.

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Filmstill "Axolotl Overkill" von Helene Hegemann zeigt zwei junge Frau im Club
Bild: Constantin Film

Zugegeben, es ist schwer etwas über "Axolotl Overkill" zu schreiben, ohne die ganze Vorgeschichte zu rekapitulieren. Schließlich entwickelte sich Helene Hegemanns Roman "Axolotl Roadkill" nach seinem Erscheinen vor sieben Jahren zu einem veritablen literarischen Skandal. Für den Adoleszenzroman über die 16-jährige Mifti, die sich in die Berliner Technoszene stürzt, hagelte es Plagiatsvorwürfe, die Autorin und Verlag schließlich auch einräumen mussten.

Helene Hegemann erlangte schon als Teenager Bekanntheit

Und das ist nicht das einzige, was den Blick auf den Film, der jetzt in die Kinos kommt, verstellen könnte. Es ist das Alter Helene Hegemanns, die mit sehr jungen Jahren schon Bühnenstücke veröffentlichte, einen später mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichneten kürzeren Film drehte und schließlich den von der Kritik zum Teil überschwänglich gelobten Roman "Axolotl Roadkill" veröffentlichte.

Regisseurin Helene Hegemann und die Hauptdarstellerinnen von  Axolotl Overkill bei einem Drehfoto
Regisseurin Helene Hegemann (r.) und ihre drei HauptdarstellerinnenBild: Constantin Film

Die 1992 geborene Helene Hegemann galt als künstlerisches Wunderkind, das zudem auch noch als Schauspielerin auftrat. Hinzu kamen die zahlreichen autobiografischen Verweise in ihren Filmen und Texten, die in keiner Rezension und in keinem Autorinnen-Porträt fehlen durften.

Kann man einen Spielfilm, noch dazu ein Spielfilmdebüt, jetzt also noch mit der nötigen Offenheit und Distanz beurteilen? Es sollte zumindest der Versuch unternommen werden.

"Axolotl Overkill" setzt andere Akzente als "Axolotl Roadkill"

"Die Struktur des Romans ist absolut inkompatibel mit der Erzählweise, die für einen Film nötig ist", sagt die junge Regisseurin über "Axolotl Overkill". Es gehe im Buch weniger "um eine übergeordnete Geschichte als um das Innenleben der Hauptfigur, und nicht mal das ist wirklich greifbar", so die inzwischen 25-jährige Autorin und Filmemacherin.

Ihr sei klar gewesen, dass sie sich für den Film nicht zu sehr an ihrer Hauptfigur Mifti habe orientieren dürfen: "Mehr an den Leuten, denen sie begegnet und die im Roman zu kurz gekommen waren." Der Film verleiht nun also auch den Nebenfiguren Gesicht und Gestalt: der psychisch angeschlagenen Schwester (gespielt von Laura Tonke), dem Bruder (Julius Feldmeier), der ebenso wie die Schwestern durchs Leben driftet, dem Vater (Bernhard Schütz), der mit seiner neuen Frau weltabgewandt, aber hochnäsig ein Bohème-Leben führt sowie der Geliebten (Arly Jover) und einer neuen, ebenso unsicheren wie wagemutig auftretenden Freundin (Mavie Hörbiger).

Überzeugend gespielt: Jasna Fritzi Bauer als Mifti

Die Geschichte der 16-jährigen Mifti nimmt aber natürlich auch im Film den größten Raum ein - vor allem auch, weil sie von der jungen charismatischen Jasna Fritzi Bauer sehr überzeugend gespielt wird. Sie trägt den Film, lässt den Zuschauer mitfiebern.

Mifti ist ein junges Mädchen im Berlin von Heute. Sie hat keine rechte Lust zur Schule zu gehen, lässt sich treiben, durchstreift allein oder in Begleitung die nächtliche Clubszene der Hauptstadt. "Natürlich ist sie dieselbe Hauptfigur wie im Roman", sagt Hegemann, "allerdings wird sie hier eher aus einer völlig anderen Perspektive gezeigt." Im Roman habe sich Hegemann eher auf die Innenperspektive beschränkt, im Film auf "von außen aufgezwungene Situationen" gesetzt.

"Axolotl Overkill" zeigt Menschen auf der Suche nach dem perfekten Leben  

Filmplakat von Axolotl Overkill
Bild: Constantin Film

Es ist ein Figurenarsenal, das vor allem von Suche geprägt wird: einer Suche nach einem Leben zwischen Erwartungshaltung und Leidenschaft, zwischen Anpassungsdruck und Freiheitswillen. Ein riskantes Spiel: "Die Suche ist das gemeinsame Biotop von charakterlich völlig unterschiedlichen Leuten", beschreibt die Regisseurin ihre Hauptfiguren: "Sie spielen mit Knarren und feiern unprätentiös und ein bisschen lebensmüde die Kompliziertheit ihrer Freiheit ab. Dabei reagiert niemand adäquat oder berechenbar auf die Tatsache, dass sie alle nur ein bis zwei Drinks davon entfernt sind, als schizophren zu gelten oder einen Mord zu begehen."

Dazu kommt es nicht. Doch die Erfahrungen, die Mifti und ihre Freundinnen und Verwandten bei dieser seelischen Achterbahnfahrt machen, sind alles andere als leicht verdaulich und einfach wegzustecken. Das gilt freilich nur für die Filmcharaktere. Die Zuschauer können sich auf einen inhaltlich und ästhetisch interessanten Film freuen - von einer Regisseurin, die eine weitere Probe ihres Talents abgibt.

Mehr zu Helene Hegemanns Film "Axolotl Overkill" in der neuen Ausgabe von KINO. Dort außerdem ein Bericht über das Spielfilmdebüt des Schauspielers Ken Duken "Berlin Falling" sowie ein Interview mit Duken.