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RechtsstaatlichkeitUngarn

Zweifel an Ungarns Eignung für die EU-Ratspräsidentschaft

1. Juni 2023

Ist die Regierung Orban in der Lage, die EU "glaubwürdig" zu vertreten? Die Frage hat Brisanz, angesichts der in einem Jahr anstehenden Ratspräsidentschaft durch Ungarn. Das EU-Parlament nimmt eine Haltung dazu ein.

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Plakat aus der Wahlkampagne der Orban-Regierung in Ungarn: "Lass uns die Kinder schützen!"
Homophobie in Ungarn: Im Wahlkampf hat Premier Orban Homosexuelle mit Pädophilen verglichenBild: Reviczky Zsolt

Angesichts eingefrorener EU-Gelder und der zunehmenden Rechtsverstöße Ungarns gegen fundamentale Grundrechte bezweifelt eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments, dass die Regierung von Premier Viktor Orban in Ungarn die Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft "in glaubwürdiger Weise" erfüllen könne.

Eine entsprechende Resolution des Parlaments wurde mit 442 Ja-Stimmen angenommen, 144 Abgeordnete waren dagegen, 33 enthielten sich. Sie ist nicht bindend, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass Ungarn die für Juli 2024 geplante Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft entzogen werden könnte.

Die Lage hat sich deutlich verschlechtert

In der Resolution ist neben "der Nicht-Achtung von Recht und Werten" der EU unter anderem auch von "systemischer Korruption" in Ungarn die Rede. Die Lage des Rechtsstaats habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Zudem wird das Regieren per Dekret angeprangert sowie die Bedrohung der Rechte von Lehrern oder auch LGBTQ-Menschen. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und andere Geschlechtsidentitäten.

Die EU blockiert derzeit rund 30 Milliarden Euro an EU-Geldern, die für Ungarn vorgesehen sind - darunter 12 Milliarden an Hilfen und begünstigten Krediten aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds. Sie begründet dies damit, dass Justiz und Aufsichtsorgane im Land von Ministerpräsident Orban nicht ausreichend unabhängig seien, um eine korrekte Verwendung der EU-Gelder zu gewährleisten.

Heftige Kritik aus Ungarn und Polen

Das EU-Parlament fordert die Mitgliedstaaten angesichts dieser Probleme auf, "so bald wie möglich eine geeignete Lösung zu finden". Andernfalls könne das Parlament auch "entsprechende Maßnahmen ergreifen". Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) hatte Ungarn zuvor als "momentan in der EU isoliert" bezeichnet, "wegen Problemen bei der Rechtsstaatlichkeit, die wirklich gravierend sind". Zudem lasse das Land immer wieder mangelnde Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg erkennen.

Die ungarische Justizministerin Judit Varga bezeichnete die Resolution als Werk einer "kriegsbefürwortenden linken Mehrheit im Europaparlament", die zudem "völlig überflüssig" sei. Die Vorbereitungsarbeiten für die ungarische Präsidentschaft seien nämlich schon voll im Gange. 

Als "klaren Verstoß gegen die europäischen Regeln in ihrer wichtigsten Form, nämlich den Vertragsregeln", kritisiert auch  Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Resolution. "Die gesamte Art und Weise, wie die EU verwaltet wird, auf diese Weise zu zerstören, ist nicht nur ein Weg ins Nirgendwo, sondern ein Weg in den Abgrund", sagte er auf einer Konferenz in der Republik Moldau. Polen steht vor allem wegen seiner Justizreform in der Kritik, die aus Sicht Brüssels die Gewaltenteilung aushöhlt.

"Kann so ein Land die politische Führung übernehmen?"

Demgegenüber sprach die konservative Europaabgeordnete Monika Hohlmeier von einer Regierung Orban, die in den letzten Monaten fast wahllos wichtige Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene in Geiselhaft genommen habe, um Zugeständnisse für sich zu erpressen. "Kann ein Land, das so vorgeht, die politische Führung in Europa übernehmen?" fragte die CSU-Politikerin. Sie verwies allerdings auch darauf, dass diese Entscheidung bei den EU-Mitgliedsstaaten liegt, und nicht beim Europäischen Parlament.

In der EU übernimmt alle sechs Monate ein anderes Land den Vorsitz im Ministerrat. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass einer der 27 Mitgliedstaaten übergangen wurde. Nur Großbritannien hatte 2017 aufgrund der Entscheidung, die EU zu verlassen, auf den Vorsitz verzichtet.

rb/se (AFP, dpa Reuters)