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Zwischen Konjunktur und Steuermoral

Regina Mennig5. Februar 2014

In Deutschland wird die Schattenwirtschaft auf einen Tiefstand sinken, in anderen OECD-Ländern weiter aufblühen, sagen Experten - und sehen dahinter nicht nur Konjunkturunterschiede.

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Schatten eines Malers an der Hauswand
Bild: picture-alliance/dpa

Der Handwerker fliest das Badezimmer am Wochenende gegen Bargeld, die Haushaltshilfe ist nicht offiziell angemeldet: Das wird in Deutschland offenbar immer seltener vorkommen. Die Umsätze im Bereich der Schattenwirtschaft - wo Geld für Dienstleistungen "schwarz", also ohne Steuern und Sozialabgaben gezahlt wird - werden 2014 auf den niedrigsten Wert seit mehr als 20 Jahren sinken. Nach einer Prognose des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der Universität Linz wird die Schattenwirtschaft in diesem Jahr 12,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Im Vergleich mit anderen OECD-Staaten liegt Deutschland damit im Mittelfeld.

Eine besonders kleine Schattenwirtschaft (in diesem Jahr 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) sehen die Wirtschaftswissenschaftler in den USA. Grund dafür sei der kaum regulierte Arbeitsmarkt und das allgemein niedrige Steuerniveau, sagt Friedrich Schneider, einer der Autoren der IAW-Studie: "Dadurch ist dort der Anreiz, 'schwarz' zu arbeiten, allenfalls im Landwirtschaftssektor und durch Immigranten gegeben."

Professor Friedrich Schneider von der Universität Linz
Professor Friedrich Schneider von der Universität LinzBild: Oberösterreichische Nachrichten/Volker Weihbold

Ganz am Ende des Schattenwirtschafts-Rankings mit mehr als 20 OECD-Ländern steht dagegen immer noch Griechenland. Und das, obwohl die Geschäfte, die am Staat vorbei gehen, dort im Laufe der Jahre am meisten zurückgegangen sind. "Die griechische Wirtschaft ist so stark geschrumpft und die Einkommen sind so stark gesunken, dass die Leute sich nicht einmal mehr Schwarzarbeit leisten können", erklärt Schneider. Besonders aufgefallen sind ihm in seiner Erhebung auch Frankreich und Österreich. In beiden Fällen gehe mit der zunehmenden Arbeitslosigkeit auch ein Anstieg der Schattenwirtschaft einher.

Infografik Schattenwirtschaft Vergleich BIP Deutsch (Grafik: DW)

Schwarzarbeit und Stammtischparolen

"Wenn eine Wirtschaftskrise eine Volkswirtschaft in den Griff nimmt, dann wirkt die Schattenwirtschaft zunächst als Puffer, mit dem die Menschen weiterhin arbeiten können und nicht von Sozialleistungen abhängig werden", sieht Dominik Enste einen allgemeinen Grund für ein Aufblühen der Schattenwirtschaft. Er ist Professor für Wirtschaftsethik an der Fachhochschule Köln und nimmt deswegen auch Triebkräfte jenseits von konjunkturellen Schwankungen in den Blick - etwa das allgemeine Verhältnis von Bürgern zu ihrem Staat.

So erkläre sich zum Beispiel die vergleichsweise hohe Steuermoral in den skandinavischen Ländern damit, dass sich die Menschen dort als Teil des Gemeinwesens verstünden. "In Italien oder Griechenland sieht es dagegen so aus, dass der Staat als Gegner betrachtet wird, dem man möglichst viel Steuern vorenthalten muss", so Enste. Die Steuermoral der Deutschen bewertet Enste als mittelmäßig - und in jüngster Zeit zudem unter schlechtem Einfluss von Prominenten wie dem FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß oder der Feministin Alice Schwarzer. Beide haben inzwischen Selbstanzeige erstattet, weil sie Geld auf Konten in der Schweiz horteten und damit Steuerzahlungen in Deutschland entgingen.

Zwar fällt Steuerhinterziehung nicht in den Bereich der Schattenwirtschaft, denn diese umfasst nur Aktivitäten, mit denen neue Werte geschaffen werden - also zum Beispiel eine neue, aber eben "schwarz" gebaute Garage. Dennoch hält Wirtschaftswissenschaftler Enste die prominenten Fälle von Steuerhinterziehung in großem Stil für ein schlechtes Signal: "So können dann Menschen am Stammtisch leicht sagen: 'Wenn das Herr Hoeneß oder Frau Schwarzer machen, dann kann sich ja wohl keiner darüber aufregen, wenn ich meine Steuern nicht ehrlich deklariere oder meine Hausangestellte nicht offiziell beschäftige.'"

Professor Dominik Enste von der Fachhochschule Köln (Foto: Institut der Deutschen Wirtschaft Köln)
Professor Dominik Enste von der Fachhochschule KölnBild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Schlechte Karten für Deutschland?

Nicht nur das fragwürdige Beispiel von Prominenten leistet der deutschen Schattenwirtschaft nach Ansicht der Wirtschaftswissenschaftler Vorschub - auch die Vorhaben der Regierungskoalition könnten das gegenwärtig niedrige Ausmaß der Schattenwirtschaft in Deutschland wieder nach oben treiben. Pläne wie der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro oder die Finanzierung des Renteneintrittsalters ab 63 Jahren machten legale Arbeit wieder teurer und damit die Schwarzarbeit lukrativer, argumentieren die Autoren der IAW-Studie.

Einen besonders starken Einfluss schreiben sie der so genannten kalten Progression zu. Damit ist gemeint, dass Lohnerhöhungen von einer steigenden Inflationsrate geschluckt werden - aber dennoch dazu führen, dass ein Bürger höhere Steuern zahlen muss. Die Forscher gehen davon aus, dass die Schattenwirtschaft den Staat und die Sozialversicherungsträger in Deutschland jährlich um 50 bis 60 Millionen Euro bringt und dass dieser Betrag durch die neuen Pläne der Bundesregierung mittelfristig um rund acht Milliarden Euro pro Jahr ansteigen wird.

Erntehelfer beim Pflücken auf einem Feld
Auftrieb für die Schattenwirtschaft? Die Regierung plant den flächendeckenden MindestlohnBild: nick barounis/Fotolia

Ansätze, mit denen sich die Schattenwirtschaft eindämmen ließe, umreißt der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider so: "Man könnte beispielsweise die Grenze für abgabenfreie Minijobs auf 500 Euro [bisher: 400 Euro] anheben oder die Möglichkeiten ausweiten, haushaltsnahe Dienstleistungen von der Steuer abzusetzen." Auch ein Modell, das etwa in Dänemark praktiziert werde, hält er für sinnvoll: Dort vergebe die öffentliche Hand keine Aufträge mehr an Firmen, die nachweislich Schwarzarbeiter beschäftigt haben.