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Ostafrikas neue Wirtschaftsmacht?

Martina Schwikowski
21. Juni 2017

Äthiopiens Wirtschaft wächst rasant. Das Land könnte Kenia als größte Wirtschaftsmacht in der Region ablösen. Doch noch lebt ein Großteil der Menschen in Armut - und viele Herausforderungen bleiben.

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VIer Männer laufen neben einigen Hallen in Äthiopiens Industriepark Hawassa (Imago/Xinhua/M. Tewelde).
Im Hawassa-Park sollen 60000 Arbeitsplätze entstehenBild: Imago/Xinhua/M. Tewelde

Für Äthopiens Regierung war es ein besonderer Tag: Am Dienstag weihte sie in Hawassa, etwa 250 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt, einen gigantischen Industriepark ein. Mit chinesischer Hilfe entstanden moderne Hallen, in denen hochwertige Leder- und Textilprodukte für den europäischen und den amerikanischen Markt hergestellt werden sollen. Der Park soll schon in kurzer Zeit jährlich eine Milliarde US-Dollar umsetzen. Mehr als 60.000 Menschen sollen dort Arbeit finden.

Ambitionierte Pläne

Die Anlage in Hawassa ist einer von 16 geplanten Industrieparks, die künftig das Land zu einem attraktiven Produktionsstandort machen sollen. Die Ambitionen der Regierung sind groß: 2015 ging die erste vollelektrische Straßenbahn südlich der Sahara in der Hauptstadt an den Start. Bis 2020 soll ein 5000 Kilometer langes Schienennetz das Land mit den Nachbarländern und dem Hafen in Dschibuti verbinden. Im nächsten Jahrzehnt sollen fast alle Haushalte mit Strom versorgt werden. Dafür entstand am blauen Nil der mächtigste Staudamm Afrikas. Das Großprojekt soll sogar Strom für den Export produzieren.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 800 US-Dollar pro Kopf gehört Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast 6 Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Aber die Wirtschaft wächst kräftig: Lange Jahre lag das Wachstum zwischen 8 und 10 Prozent pro Jahr. Dadurch steigt das Bruttoinlandsprodukt. Manche Beobachter gehen davon aus, dass Äthiopien den Nachbar Kenia als wichtigste Wirtschaftsmacht der Region ablösen könnte. 2014 sprach das Beratungsunternehmen Deloitte & Touch sogar von einem "Wirtschaftswunder".

Premierminister Haile Mariam Dessalegn bei der Einweihung des Gide III Staudamms
Die Regierung vom Premierminister Haile Mariam Dessalegn plant zahlreiche GroßprojekteBild: Getty Images/AFP

Aber wie zukunftsweisend ist dieser Trend in einem Land, das sich politisch seit Oktober 2016 im Ausnahmezustand befindet? Nach Unruhen hatte ihn die Regierungausgerufen, Oppositionsproteste zerschlagen und zahlreiche Oppositionelle verhaftet. Seit den letzten Wahlen ist die Opposition im Parlament nicht mehr vertreten. Auch die Internetnutzung wurde eingeschränkt. "Der verhängte Ausnahmezustand brachte wirtschaftlich einen Dämpfer und die Tourismusbranche hat sich davon noch nicht erholt", sagt der äthiopische Unternehmensberater Estifanos Samuel. Die Regierung habe Investoren aber beruhigt. Samuel zweifelt nicht, dass Äthiopiens Erfolg langfristig anhalten wird: "Äthiopien überrollt Kenia, weil die Regierung Großinvestitionen tätigt und Waren vor Ort produziert werden."

'Vorsichtig optimistisch'

Er macht folgende Rechnung auf: "Die Handelsbilanzen beider Länder sind bei den Exporten mit 4,5 Milliarden Euro identisch. Aber Kenia hat nur die Hälfte der Einwohner und importiert fertige Textilien. Äthiopien importiert zu 30 Prozent Teile oder Anlagen zur Produktion."  Zwar habe Kenia seine Märkte weiter geöffnet, aber Äthiopien hole auf. Zudem leide Kenia unter Korruption und dem Terror der Al-Shabaab.
Die Deutsche Außenhandelskammer in Kenia sieht Äthiopiens Aufschwung weniger euphorisch. "Wir sind vorsichtig optimistisch", sagt Direktorin Maren Diale-Schellschmidt. Die Wachstumsraten seien hoch. Aber: "Äthiopien kommt aber von einem niedrigen Standard, und da sind die Wachstumsraten schneller höher. Ich glaube nicht, dass Äthiopien Kenia im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt überholt hat."

Arbeitsstandards in Äthiopien

Auch kommt der Wohlstand längst noch nicht überall an: "Von der Infrastruktur profitiert jeder, aber die Wirtschaftsmacht liegt in den Händen einer gewissen Minderheit", sagt Diale-Schellschmidt. "Es entsteht trotzdem ein Mittelstand und es gibt mehr Jobs für qualifizierte Mitarbeiter."

Doch es gibt noch viele Probleme. Die Bürokratie ist exzessiv, Steuern und Abgaben hoch. Ausländische Devisen seien Mangelware, was zu Beschränkungen beim Einkäufe von wichtigen Technologien führe, kritisiert Diale-Schellschmidt. "Äthiopien ist kein wirklich freier Staat", kritisiert Diale-Schellschmidt. "Nachhaltigkeit wird es in Äthiopien geben, aber es ist ein langer Weg.

Mitarbeit: Gwendolin Hilse