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"Ich wurde inhaftiert und gefoltert"

Eunice Wanjiru17. Mai 2016

Er ist einer von Äthiopiens kritischsten Journalisten. Nun ist Muluken Tesfaw nach Europa geflohen. Sein Aufenthaltsort bleibt geheim. Mit der DW hat er über den Niedergang der Pressefreiheit in seiner Heimat gesprochen.

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Muluken Tesfaw – Chefredakteur von „Yekelem Qend“
Bild: privat

DW: Herr Tesfaw, warum sind Sie aus Äthiopien geflohen?

Muluken Tesfaw: Ich bin nach Europa gereist, um den Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai in Helsinki zu begehen. Ich wollte als Stellvertreter der äthiopischen Presse kommen. Die äthiopische Diaspora lud mich dann zu einer weiteren Konferenz am 9. Mai nach Stockholm ein. Nach diesem Treffen bekam ich viele Nachrichten von Verwandten und Freunden. Sie haben mich sehr eindrücklich davor gewarnt, nach Äthiopien zurückzukehren. Sie erzählten, dass sie von verschiedenen Sicherheitsleuten und unbekannten Personen befragt worden seien. Auch der Geschäftsführer meiner Zeitung wurde von der Polizei festgehalten. Dann gibt es noch einen anderen wichtigen Grund, über den ich jetzt aber nicht sprechen kann. Ich werde jetzt hier, wo ich bin, Asyl beantragen und rechtlichen Beistand suchen.

Was für Erfahrungen haben Sie als Journalist in Äthiopien gemacht?

Ich habe wirklich mein Bestes versucht, eine freie Presse in Äthiopien mitzugestalten. Seit 2012 habe ich als Kolumnist, Reporter und Chefredakteur für verschiedene Zeitungen gearbeitet. In meinen Artikeln habe ich immer über Pressefreiheit, über Menschenrechtsverletzungen und diese Probleme gesprochen. Ich habe das Regime sehr stark kritisiert…

…eine Offenheit, die das Regime nicht dulden wollte.

Während ich meinen Job ausübte, wurde ich im Jahr 2012 eingesperrt und gefoltert. Während der Wahlen vom vergangenen Jahr wurde ich von Sicherheitsleuten verfolgt. Wann immer ich nach Hause ging oder das Haus verließ, waren da Leute. Deshalb habe ich mich letztes Jahr in einem Kloster versteckt, auf einer Insel im Tanasee. Ich lebte dort ungefähr zwei Wochen. Nach den Wahlen kehrte ich in die Hauptstadt Addis Abeba zurück. Dann bekam ich viele einschüchternde Anrufe und wurde sogar angegriffen. Ich habe diese Einschüchterungsversuche beim Menschenrechtsrat angezeigt und darüber auch in den Sozialen Medien und in der Zeitung geschrieben.

Wie ergeht es Ihren Kollegen in Äthiopien? Was können Sie uns über deren Situation sagen?

Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 20 Journalisten und Aktivisten gezwungen, ins Exil zu gehen. Das Regime zwang dutzende Zeitungen und Magazine, ihre Arbeit einzustellen. Die Regierung mag dir zwar eine Lizenz erteilen, aber deine Arbeit wird keinen fruchtbaren Boden finden. Ich denke, die Internationale Gemeinschaft kann sehen, dass die Presselandschaft in Äthiopien mehr in Gefahr ist denn je.

Warum reagiert die Regierung Ihrer Meinung nach so empfindlich auf manche Ihrer Berichte, etwa wenn Sie über die Enteignung von Bauern in Nordwestäthiopien schreiben?

Ich versuche nur, die Fakten zu recherchieren, aber es gibt so viele Hürden. Die Regierung ist totalitär und es liegt in der Natur solcher Regime, restriktiv zu sein. Sie wollen vom Ausland als demokratischer und liberaler wahrgenommen werden, aber praktisch sind sie sehr autokratisch. Das ist die Natur der äthiopischen Regierung.

Muluken Tesfaw stammt aus dem Norden Äthiopiens und war in der Hauptstadt Addis Abeba für verschiedene Zeitungen wie Ethio Mihdar und Yeqelem Qenid tätig. Im Mai 2012 wurde er kurzzeitig inhaftiert, nachdem er über Menschen berichtet hatte, die dazu gezwungen worden waren, ihr Land zu verlassen. Laut dem Komitee zum Schutz der Journalisten (CPJ) wurde er ohne formelle Anklage in Gefangenschaft gehalten.

Das Interview führte Eunice Wanjiru.