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Öko-Mode aus Bangladesch?

Vera Möller-Holtkamp23. Januar 2015

Bangladesch steht für billige Massenware und schlechte Arbeitsbedingungen. Aber das Selbstbewusstsein der dortigen Mode-Designer wächst. Sie suchen auf der Berlin Fashion Week nach nachhaltigen Konzepten.

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Bild: Vera Möller-Holtkamp, DW

Metallisch klingende Musik scheppert durch die Halle. Wie eine nicht endende Gliederkette laufen die Models über den hell erleuchteten Laufsteg. Modedesigner Iftekhar Rahman aus Bangladesch hat einen Stehplatz ergattert und skizziert Modeteile in sein Notizbuch, ab und an schießt er ein Foto. Die Fashion Show im ehemaligen Postbahnhof Berlin erscheint nur auf den ersten Blick konventionell. Alle Kleidungsstücke, die hier gezeigt werden, sind ökonomisch oder ökologisch nachhaltig hergestellt. Es ist die Modenschau des Green Showroom, die während der Berlin Fashion Week stattfindet. Eine Öko-Modemesse fürs Fachpublikum.

"Sehr schöne Muster, schöne Linienführung, das waren tolle Kleider, sehr gut umsetzbare, praktische Kollektionen", lobt Iftekhar Rahman. "Die Leute denken immer, Öko-Mode könne nicht farbenfroh sein, aber jetzt haben wir auch starke Farben gesehen", begeistert sich seine bengalische Kollegin Afsana Serdousi neben ihm. Beide sind auf Einladung des Goethe Instituts Bangladesch, der Universität der Künste Berlin (UdK) und der Weißensee Kunsthochschule Berlin zu Gast. Zusammen mit vier weiteren Jungdesignern aus Bangladesch nehmen sie an dem Austauschprojekt "Lokal International" teil, das nachhaltige Konzepte für Mode entwickeln will und eine Kooperation zwischen deutschen und bengalischen Designern anstrebt.

Öko, bunt und nachhaltig

Nach der Show gehen die Designer aus Bangladesch in der Messehalle von Stand zu Stand. Ihre erste Frage an die Aussteller lautet immer: "Was ist an diesem Produkt nachhaltig?" Dann werden ihnen Lederartikel gezeigt, die in Rhabarbersaft gegerbt wurden, statt mit einem giftigen Chromgemisch. An einem anderen Stand gibt es stylische Rucksäcke, die aus ehemaligen Plastikflaschen gefertigt sind. Upcycling heißt das in der politisch korrekten Modewelt. Eine Etage tiefer in der dazu gehörenden Ethical Fashion Show, wo eher Streetwear und massentaugliche Produkte gezeigt werden, gibt es beispielsweise biologisch abbaubare Sneaker.

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Ledersachen - gegerbt mit RhabarbersaftBild: Vera Möller-Holtkamp, DW

Berlin ist im Vergleich zu Paris und Mailand keine klassische Modemetropole, man findet hier nicht die großen internationalen Stars der Branche, sondern vor allem innovative, alternative Konzepte. Den Green Showroom gibt es seit mehr als zehn Jahren, er entstand lange bevor die Debatte über Nachhaltigkeit im Textilsektor bei den Endverbrauchern angekommen war. Lange vor dem Einsturz der Nähfabrik Rana Plaza im April 2013 in Bangladesch, bei dem über 1100 Menschen den Tod fanden.

Imagewandel angestrebt

Nachhaltige Mode im Zusammenhang mit Bangladesch, das klingt zunächst paradox. Nach China und Indien ist Bangladesch der drittgrößte Textilexporteur der Welt. Deutschland ist für Bangladesch der zweitwichtigste Markt nach den USA. Trotz der Skandale und Katastrophen: Die Zahlen sind leicht gestiegen. 2014 exportierte das Land Textilien im Wert von 3,25 Milliarden Euro nach Deutschland. Das südasiatische Land ist bekannt für billige Massenfabrikation, für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Obwohl sich die Bedingungen vor Ort in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben, fürchten viele Firmen, die in Bangladesch produzieren lassen, um ihr Image.

Iftekhar Rahman weiß das aus erster Hand. Er arbeitet als Designer bei der M&J-Group, einem der führenden Textilproduzenten Bangladeschs. In der Fabrik werden Jeans für internationale Marken wie H&M, GAP, Esprit, C&A und Replay gefertigt. Er selbst bewertet die Arbeitsbedingungen der Näherinnen im Unternehmen als gut. "Die Unternehmen, die sich nicht an die Compliance-Regeln halten, also an die Einhaltung von fairen Arbeitsbedingungen und Mindeststandards, haben in Bangladesch keine Chance", sagt der Designer. Der Druck der Abnehmerländer sei seit zwei Jahren so hoch, dass sich Unternehmen schlechte Arbeitsbedingungen nicht mehr leisten könnten.

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Iftekhar Rahman, Designer aus BangladeschBild: Vera Möller-Holtkamp, DW

Doppelzertifizierung wegen mangelnden Vertrauens?

So lassen sich die Fabriken die Arbeitsbedingungen zertifizieren, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Bei seinem Rundgang durch den Green Showroom ist der Designer allerdings über das reichhaltige Angebot an Zertifizierungsdienstleistungen für den hiesigen Markt überrascht. Im Rahmen der wachsenden kritischen Haltung vieler Endverbraucher hat sich ein neuer Markt für Gütesiegel, Audits und Beratungsfirmen entwickelt. Der ansonsten sehr zurückhaltende Designer fragt sich, warum die Firmen in seinem Land viel Geld für die Zertifizierung auf Einhaltung der Compliance-Regeln ausgeben, wenn die europäischen Firmen für den Inlandsmarkt noch mal tief in die Tasche greifen, um sich die faire Produktion der Waren bestätigen zu lassen.

Nachhaltige Mode raus aus der Nische?

Nachhaltige Mode wird oft als Wachstumsmarkt angepriesen. Auch der Branchenverband der Textilindustrie „German Fashion“ beobachtet das. Allerdings sei Öko-Mode im Vergleich zur konventionellen Ware immer noch ein Nischenprodukt. Auch im Green Showroom und auf der angeschlossenen Ethical Fashion Show wird klar, dass die Produkte hier für einen kleinen zahlungskräftigen Käuferkreis bestimmt sind. Die mit Rhabarber gegerbte Ledertasche kostet im Laden etwa 400 Euro, der gewobene Plastik-Rucksack mit Extratasche für den Tablet-PC um die 170 Euro. Die Kunden sind Konzeptstores und ausgesuchte Onlineshops, nicht die breite Masse.

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Das Team "Lokal International"Bild: Vera Möller-Holtkamp, DW

Im Rahmen des Green Showrooms hat der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) erstmals Marktdaten zur Entwicklung der Branche bekannt gegeben. Auch wenn es vor 14 Jahren noch ein sehr kleiner Markt war: Die Umsatzzahlen sind jährlich um durchschnittlich fünf Prozent gewachsen. Ob sich nachhaltige Mode auch für die breite Masse durchsetzen kann, sieht der Verband optimistisch: "Wenn Hersteller in der Lage sind, innovative Produkte anzubieten, die im Preis- und Modeaspekt einigermaßen mit konventionellen Produkten konkurrieren können, wird es gelingen, aus der Nische vollständig herauszutreten. Dass die Erfüllung dieser Bedingung keine Utopie ist, beweisen weltweit mehrere tausend Unternehmen, die bereits zertifiziert sind oder zum großen Teil nachhaltig wirtschaften“, sagt IVN-Geschäftsstellenleiterin Heike Scheuer.

Zurück zu den Wurzeln

Im Austauschprojekt "Lokal International" haben sich im Herbst 2014 binationale Teams gebildet. Gemeinsam entwickeln deutsche und bengalische Designer nachhaltige Lösungsansätze, Konzepte, Produkte oder Kollektionen, die zur Berlin Fashion Week im Juli 2015 präsentiert werden sollen. Abseits der Massenproduktion sollen auch traditionelle Handwerkstechniken wiederbelebt und nachhaltig ausgerichtete Produktionsmethoden gefördert werden.

Die Steigerung der Qualität der Mode aus Bangladesch ist den Jungdesignern sehr wichtig. Auch, um eine mögliche Abwanderung in noch billigere Produktionsländer zu vermeiden. Iftekhar Rahman und seine Kollegen beobachten eine wachsende, selbstbewusste Modeszene in ihrem Land, stark geprägt von der sogenannten Fusionwear, in der traditionelle Mode mit westlichem Design gemixt wird. Mit der Förderung der alten Handwerkstechniken werde auch der Standort Bangladesch gestärkt. Bis vor kurzem kamen die Entwürfe in den Textilfabriken ausschließlich von den westlichen Marken. Jetzt bieten mehr und mehr bengalische Designer den westlichen Kunden eigene Kollektionen an.