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Politik im Ölland Tschad

Dirke Köpp10. Oktober 2013

Gegen seine Kritiker geht der tschadische Präsident Déby hart vor: Unliebsame Gegner im Land werden zum Schweigen gebracht oder gekauft. Woanders löst er mit seiner gut gerüsteten Armee regionale Konflikte.

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Tschadische Soldaten feiern bei ihrer Rückkehr aus Mali mit Präsident Idriss Déby STR/AFP/Getty Images
Bild: STR/AFP/Getty Images

Auf den Ranglisten dieser Welt steht der Tschad trotz seiner Einnahmen aus der Ölförderung schlecht da: Auf dem UN-Entwicklungsindex liegt das Land auf Platz 184 von 187 - weniger entwickelt sind nur Mosambik, die Demokratische Republik Kongo und der Niger. Die Lebenserwartung im Tschad liegt bei knapp 50 Jahren, nur jeder dritte Erwachsene kann lesen und schreiben und 62 Prozent der elf Millionen Tschader leben von weniger als einem Euro am Tag.

Menschenrechte würden mit den Füßen getreten, unliebsame Gegner zum Schweigen gebracht, kritisiert Martin Petry. Er ist freier Entwicklungsberater und kennt den Tschad seit vielen Jahren: "Im Tschad werden nach wie vor Oppositionelle verhaftet und eingeschüchtert. Es gibt sehr viele willkürliche Verhaftungen, viel Kleinkorruption oder Machtmissbrauch der Polizei und des Militärs." Wenn man im Tschad um seine Rechte betrogen werde, so Petry, sei es fast unmöglich, einen Justizstreit zu gewinnen.

Seit 23 Jahren an der Macht

Präsident Idriss Déby ist seit 1990 und damit seit 23 Jahren an der Macht. In dieser Amtsdauer wird er nur von wenigen afrikanischen Amtskollegen wie Teodoro Obiang Nguema aus Äquatorial-Guinea, José Eduardo dos Santos aus Angola oder Simbabwes Robert Mugabe übertroffen.

Débys Armee ist die wohl bestausgebildete und bestgerüstete in Afrika südlich der Sahara. Das hat Déby mit den Einnahmen aus der Ölförderung geschafft, die vor zehn Jahren begann. "Außenpolitisch hat Déby das Ölgeld sehr zum Ausbau seiner militärischen Macht geholfen", sagt Helga Dickow, Tschad-Expertin am Arnold-Bergstraesser-Institut der Universität Freiburg in Deutschland. "Innenpolitisch hat es dem Präsidenten zum Ausbau seiner politischen Macht verholfen: Die Regierung hat den Zugriff auf die ganzen Ölgelder und kann sie für ihren Wahlkampf verwenden. Patronage und die Kooptierung politischer Gegner sind in viel größerem Stil als vorher möglich."

Tschads Präsident Idriss Déby (AP Photo/Thierry Charlier, File)
Idriss Déby, Präsident des TschadBild: AP

Wenig Geld für die Armutsbekämpfung

Mit Patronage meint Dickow die gezielte Förderung von Menschen, die Déby nützlich sein können. Ähnliches geschehe bei der Kooptierung: Der politische Gegner wird auf die eigene Seite gezogen, indem man ihm einen prestigeträchtigen Posten gibt und ihn so ins System einbindet. Viel Geld fließt im Tschad also in den Ausbau der Macht, wenig aber in den Kampf gegen die Armut oder in den Ausbau der Infrastruktur.

Die mit Ölgeldern gestärkte Armee nutzt Déby, um international zu punkten. Etwa im Januar dieses Jahres (2013), als er dem französischen Präsidenten François Hollande für den französischen Militäreinsatz in Mali rund 2400 seiner Soldaten zur Verfügung stellte. Mit Einsätzen gegen islamistische Rebellen und Terrorgruppen buhlt Déby auf internationaler Ebene um Anerkennung und erreicht vor allem eines: Der Tschad wird für seine Innenpolitik weniger kritisiert, als dies angesichts der Menschenrechtsverletzungen zu erwarten wäre.

Politische Gefangene im Tschad. (Foto: Amnesty International)
Politische Gefangene im TschadBild: Amnesty International

"Déby stellt sich immer dar als jemand, der gegen Al-Kaida und Boko Haram kämpft und für den Ausgleich zwischen Christen und Muslimen sorgt", sagt Helga Dickow vom Arnold-Bergstraesser-Institut. Entwicklungsberater Martin Petry stimmt zu: "Es gibt keinen massiven Druck auf den tschadischen Präsidenten, weil man ihn eben für den Kampf gegen den Terror braucht."

Frankreich eilt stets zur Hilfe

Gerade die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat stets enge Beziehungen zum Tschad gepflegt. 1990 half sie Déby, seinen Vorgänger Hissène Habré zu stürzen. 2008 eilte sie ihm zur Hilfe, als Rebellen ihn aus dem Amt putschen wollten. Für Frankreich ist das zentralafrikanische Land nicht nur ökonomisch, sondern auch strategisch wichtig: In der Hauptstadt N'Djamena und in Abeché im Osten unterhält das französische Militär zwei wichtige Stützpunkte.

Der tschadische Sozialwissenschaftler Remadji Hoinathy, der unter anderem am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung im ostdeutschen Halle arbeitet, analysiert Débys Strategie: "Die militärische Diplomatie des Tschad erlaubt dem Staat, sich gegenüber seinem Partner anders zu positionieren. Wenn zum Beispiel Frankreich den Tschad auf einem bestimmten Gebiet braucht, erlaubt das wiederum dem Tschad auf gleicher Augenhöhe mit Frankreich zu sprechen." Dies geschehe nach dem Motto: "Ich unterstütze euren Einsatz in Mali, aber dafür lasst ihr mich, was bestimmte Fragen in meinem Land angeht, in Ruhe." Hoinathy bilanziert: "Das ist leider die Nebenwirkung der Machtsteigerung des Tschad auf regionaler Ebene."

Karte mit der Lage des Tschad und den Staaten Nord- und Zentralafrikas
Tschad stellt das größte afrikanische Truppenkontigent der UN-Friedenmission in MaliBild: DW

Wie gut Débys Strategie, sich außenpolitisch unverzichtbar zu machen, aber auch in Afrika selbst aufgeht, zeigt ein Beschluss der Afrikanischen Union: Sie will die Kandidatur des Tschad für einen Sitz als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat in den Jahren 2014/15 unterstützen.