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Kern erteilt EU-Beitritt der Türkei Absage

4. August 2016

Es ist "nur noch diplomatische Fiktion": Österreichs Regierungschef spricht offen und undiplomatisch aus, was viele denken. Die EU-Mitgliedschaft kann die Türkei demzufolge vergessen. Europa müsse das nicht fürchten.

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Österreich designierter Bundeskanzler Christian Kern
Bild: Reuters/H.P. Bader

Die EU muss nach den Worten von Österreichs Bundeskanzler Christian Kern ernsthaft einen Abbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei in Betracht ziehen. Ein Beitritt der Türkei zur EU sei "nur noch diplomatische Fiktion", sagte Kern dem österreichischem Sender ORF. Er wolle die Möglichkeit eines Abbruchs beim kommenden EU-Gipfel am 16. September auf die Tagesordnung setzen. "Wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei Weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen."

Weit entfernt vom europäischen Durchschnitt

Kern, der erst seit Mai im Amt ist, hat damit für einen europäischen Regierungschef ungewöhnlich offen gesprochen. Er beließ es auch nicht nur bei dem ORF-Interview. Der Bundeskanzler äußerte sich auch in der Wiener Zeitung "Die Presse". Auch die Wirtschaft der Türkei sei weit entfernt vom europäischen Durchschnitt, führte der österreichische Bundeskanzler aus. So gebe es schon im Hinblick auf den Zugang von Menschen aus südost- und zentraleuropäischen Staaten zum EU-Arbeitsmarkt erhebliche "Disparitäten", wie Kern dies ausdrückte. Dabei sei bei diesen Herkunftsländern der Abstand zum Lohnniveau noch vergleichsweise klein.

"Wir sind kein Bittsteller"

Die EU müsse ihre künftige Zusammenarbeit mit der Türkei anders regeln als durch einen Beitritt. "Es braucht ein alternatives Konzept", sagte Kern. Er räumte allerdings ein, dass die Türkei "in sicherheitspolitischen und integrationspolitischen Fragen ein wichtiger Partner" bleibe - etwa bei der Bekämpfung der Dschihadisten-Miliz "Islamischer Staat". Den Ärger der türkischen Regierung bei einem Abbruch müsse die EU nicht fürchten, sagte Kern. "Wir sind gegenüber der Türkei kein Bittsteller, wir sind einer der größten Investoren, der türkische Tourismus hängt an uns und was man nicht vergessen darf, der Westen finanziert das Leistungsdefizit der Türkei." Die Bedeutung der Regierung in Ankara bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise erwähnte der österreichische Regierungschef in diesem Zusammenhang allerdings nicht.

Österreich Slowenien Grenze Flüchtlinge
Auch für Österreich war die Flüchtlingskrise problematisch - die Situation an der Grenze zu Slowenien im FebruarBild: Reuters/L. Foeger

Türkei: Osterreichs Bundeskanzler klingt wie ein Rechtsextremer

Die türkische Regierung hat die Forderung Kerns, die EU-Beitrittsverhandlungen zu stoppen, scharf zurückgewiesen und dem Sozialdemokraten rechtsextreme Wortwahl vorgehalten. "Es ist verstörend, dass seine Kommentare ähnlich wie die der Rechtsaußen klingen", sagte Europaminister Omer Celik in Ankara in Anspielung auf die Positionen der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich. "Kritik ist sicherlich ein demokratisches Recht. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer Kritik an der Türkei und einer Positionierung gegen die Türkei", fügte Celik hinzu.

ml/wo/as (dpa, afp,rtr)