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"Erdogans Arm darf nicht bis Berlin reichen"

24. Juli 2016

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei warnt der Grünen-Vorsitzende Özdemir vor nationalistischen türkischen Vereinen hierzulande. Über diese könnte Präsident Erdogan auch in Deutschland Einfluss nehmen.

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Cem Özdemir (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Der Ko-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, sagte angesichts des rigorosen Vorgehens von Präsident Recip Tayyip Erdogan gegen tatsächliche und vermeintliche Widersacher nach dem gescheiterten Putsch: "Der Arm Erdogans, der mag in viele Bereiche der türkischen Gesellschaft mittlerweile reichen, aber er darf nicht nach Berlin reichen. Er darf nicht nach Deutschland reichen", sagte Özdemir im Deutschlandfunk:

Özdemir: Es gibt eine Art türkische Pegida

In der "Bild am Sonntag" warnte der Oppositionspolitiker vor radikalen türkischen Nationalisten in Deutschland: "Es gibt leider auch eine Art türkische Pegida in Deutschland, die wir genauso behandeln müssen wie die uns bekannte." Konkret verwies der Politiker auf "türkisch-nationalistische Vereine", die nicht "zum verlängerten Arm der AKP werden" dürften.

Institutionen wie der türkische Islamverbband DITIB seien "direkt Ankara unterstellt" und werden zentralistisch geleitet. "Und am Ende dieser Kette steht Staatspräsident Erdogan." Özdemir warnte: "Wenn wir unsere Schulen für muslimischen Religionsunterricht über DITIB öffnen, lassen wir zu, dass Erdogans Ideologie im Unterricht in unserem Land verbreitet wird. Das finde ich unerträglich." Auf diesem Wege könnten die Spannungen in der Türkei nach Deutschland übergreifen.

Grünen-Chef fordert EU-Sanktionen

Mit Blick auf die aktuelle Situation plädierte Özdemir dafür, die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei auf Eis zu legen anstatt abzubrechen. Es gehe darum, nicht die Türkei und die dortige Bevölkerung zu bestrafen. Zwar trete das derzeitige Regime Menschenrechte und Demokratie mit Füßen. "Aber für den Fall, dass in der Türkei eines Tages die Demokraten wieder die Mehrheit bekommen sollten, sollten wir auch deutlich machen, dass der Weg der Türkei Richtung Europa unsererseits nicht verschlossen ist." Er könne sich auch Sanktionen vorstellen. "Wenn Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte weiterhin außer Kraft gesetzt werden, müssen wir auf EU-Ebene auch über Sanktionen für das direkte Umfeld der Machthaber nachdenken, beispielsweise indem man Konten und Vermögen einfriert."

Sanktionen gegen die Türkei lehnt die CDU ab. Unionsfraktionschef Volker Kauder warf Erdogan in der "Welt am Sonntag" zwar vor, Menschenrechte und Rechtsstaatsprinzipien zu verletzen. Auf die Frage nach Sanktionen antwortete er aber: "Das sehe ich nicht." Auch den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sieht Kauder durch die innenpolitische Lage in der Türkei nicht gefährdet.

Teile der Armee hatten am Freitag vor einer Woche einen Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten gestartet. Der Aufstand wurde schnell niedergeschlagen. Als Konsequenz verhängte Erdogan den Ausnahmezustand, sodass er per Dekret unter Umgehung des Parlaments regieren kann.

qu/wl (dpa, kna)